Julia Sommerliebe 0020
Plötzlich fragte sie sich, ob er vielleicht zu viel getrunken hatte. Ungeniert starrte er auf ihre nackten Beine. Merkwürdigerweise war ihr das aber gar nicht unangenehm. Insgeheim hoffte sie sogar, dass ihm ihre Beine gefielen.
Abby hatte noch nie diesen Blick in seinen Augen gesehen. Zum ersten Mal schien Judd aufzufallen, dass sie eine attraktive Frau war. Plötzlich wurde sie nervös.
„Vertrau mir“, sagte sie und schlug dann ganz unvermittelt einen anderen Weg ein. Eigentlich hatte sie Judd bitten wollen, einen Haufen Kleider und Zubehör aus ihrem Zimmer zu holen. Sie wollte die Sache schon heute Abend zu dem versteckt gelegenen Wasserfall bringen, an dem sie morgen ihre Aufnahmen machten. Doch dann besann sie sich. So dumm durfte sie nun wirklich nicht sein, Judd mit auf ihr Zimmer zu bitten. Wer wusste schon, was noch alles passieren würde?
„Vertrau mir? Müsste das nicht eigentlich mein Spruch sein?“ Judd grinste.
„Du hast ganz recht. Wenn Männer sagen Vertrau mir, dann ist es nicht mehr als ein Spruch.“
„Und wenn es eine Frau sagt, darf man dann vertrauen?“ Judd fuhr sich mit der Hand durchs Haar und sah mit einem Mal wieder aus wie ein Teenager.
„Natürlich. Habe ich dich je belogen?“
Noch während sie die Worte aussprach, zuckte Abby innerlich zusammen. Sie hatte jahrelang eine Lüge gelebt. Die Tage nach Judds Kuss waren nicht leicht gewesen. Sie hatte sich ihre Gefühle nicht anmerken lassen und weitergemacht wie zuvor. Aber wenn sie jetzt nicht vorsichtig war, dann würde alles wieder von vorne anfangen. Sie wäre schneller in einem Schlamassel, als ihr lieb sein konnte.
Plötzlich blieb Judd stehen. Als sich Abby nach ihm umdrehte, ergriff er ihre Hände und zog sie zu sich. „Ich weiß es nicht. Hast du?“
Verwirrt sah sie zu ihm auf. Sie wusste nicht, worauf er mit seiner Frage hinauswollte. Sein Blick war unergründlich.
Na prima. Ihre Gedanken an früher hatten ihr wahrscheinlich einen sentimentalen Gesichtsausdruck verliehen. Sie musste aufpassen, dass Judd diesen nicht falsch verstand.
„Abby, hör bitte auf, mich so anzusehen.“
Noch bevor sie reagieren konnte, hatte Judd sie noch näher an sich herangezogen. Mit einer bestimmten Geste legte er seine Arme um sie. Und dann küsste er sie. Genauso überstürzt und unerwartet wie damals vor acht Jahren.
Dennoch war es heute anders. Mit einem Mal schien jede Faser in Abbys Körper zum Leben zu erwachen. Dies war kein ungelenker Kuss unter Jugendlichen. Es war so viel mehr.
Judds Kuss berührte sie zutiefst. Es war, als hätten ihre Lippen sich nach einer halben Ewigkeit endlich gefunden. Abby spürte, wie ihr die Knie weich wurden, während seine Lippen heiß auf ihren brannten, und sie wusste, dass er genauso empfand.
Behutsam legte er eine Hand an ihren Hinterkopf, um sie noch inniger küssen zu können. Mit der anderen Hand streichelte er ihre nackten Schultern. Abby hielt den Atem an, als sie spürte, wie seine Zungenspitze in ihren Mund glitt. Sie seufzte leise auf. Ihre Lippen und Zungen neckten einander, wie sie es sonst nur mit Worten taten. Und dann entwich auch Judd ein tiefes, verlangendes Stöhnen.
Sie sollte ihn wegstoßen. Sie musste ihm klarmachen, dass sie das nicht wollte. Sie musste ihm sagen, dass sie nur an früher gedacht und er ihren Blick falsch verstanden hatte.
Aber stattdessen gab sie nach. Ihre Leidenschaft war entfacht. Viel zu lange hatte sie von diesem Kuss nur träumen können. Die jahrelange Freundschaft war plötzlich egal. Alles, was zählte, waren Judds Duft und seine unendlich zärtlichen Berührungen. Und selbst wenn dieser Kuss ein einmaliger Ausrutscher war: sie würde ihn genießen.
Nein! Das hier ist Judd Calloway, dein alter Freund Judd! Du darfst ihn nicht küssen! Doch es waren nur Worte, die durch ihren Kopf geisterten. Ihr Körper weigerte sich, ihnen Folge zu leisten.
Judd stöhnte wieder und zog Abby noch enger an seinen erhitzten Körper. Noch nie hatte sie einen Moment so genossen, wie diesen verbotenen Augenblick. Plötzlich ertappte sie sich bei dem Gedanken, Judd doch mit hinauf auf ihr Hotelzimmer zu nehmen.
Während sie sich an ihn schmiegte, versuchte sie sich vorzustellen, wie sich seine Hände wohl auf ihrem Körper anfühlen würden. Judd küsste so leidenschaftlich. Seine Lippen wanderten an ihrem Hals hinab und ließen süße Schauer über ihren Rücken laufen.
Die Atmosphäre zwischen ihnen schien zum Zerreißen gespannt. Nur Freunde, klar!
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