Julia Sommerliebe 0020
betrachtete Judd durch ihre gesenkten Wimpern.
„Ich hatte gehofft, ihn heute Abend zu treffen. Ich brauche einen großen starken Mann … der mir morgen beim Tragen helfen kann.“
„Ach? Und was bin ich für dich? Ein unfähiger Schwächling?“
Abbys Augen blitzten, als sie scheinbar ahnungslos fragte: „Meinst du nicht, dass du dich etwas übernehmen könntest?“
Im nächsten Moment streckte sie die Hand nach seinem Arm aus und prüfte seinen Bizeps. „Gar nicht mal so schlecht“, stellte sie fest.
Ohne Vorwarnung überkam Judd plötzlich eine heiße Begierde. Mit aller Macht versuchte er das unwillkommene Gefühl zu ignorieren.
Abby war eine gute Freundin, sonst nichts. Sie war immer sein bester Kumpel gewesen. Eine Frau, die ihn von klein auf kannte. Die alles über ihn und seine Vergangenheit wusste. Sie kannte seinen Vater, hatte die Geldnot in seiner Jugend mitbekommen, sein Bemühen um eine gute Bildung. Sie wusste, dass er damals ein Stipendium bekommen hatte und dass er es eigentlich nicht hatte annehmen wollen.
Und jetzt saß er hier neben ihr und konnte nicht glauben, welch erschreckende Wirkung sie auf ihn hatte. Eine einzige zarte Berührung von ihr ließ ihn so sehr erglühen, dass er bereits wieder darüber nachdachte, ob aus ihrer Freundschaft nicht vielleicht doch mehr werden könnte. Zumindest eine Zeit lang.
Was dachte er sich eigentlich? War er völlig verrückt geworden?
Bemüht um einen kumpelhaften Ton, lehnte er sich zu Abby vor. „Meine Liebste, ich bin stark wie ein Tiger.“
„Wirklich?“
Abby ließ ihre Hand wieder sinken. Judd war sich sicher, dass sie sie absichtlich länger als nötig auf seinem Arm gelassen hatte. Oder bildete er sich das wieder nur ein? Er fühlte sich merkwürdig durcheinander. Seit er die Insel betreten und Abby wiedergesehen hatte, war er offenbar nicht mehr Herr seiner Sinne.
„Wirklich.“
Judd verschränkte die Arme vor der Brust. Er musste unbedingt verhindern, dass seine Hände etwas taten, was er nicht wollte. Auf keinen Fall durfte er Abby noch einmal berühren. Obwohl er sie am liebsten auf seinen Schoß gezogen hätte.
Mist. Das Ganze lief völlig anders, als er es sich vorgestellt hatte. Er hatte ein bisschen mit Abby flirten wollen, um sie durcheinanderzubringen. Doch jetzt war er es, der sich nicht mehr im Griff hatte. Was war bloß geschehen? Woher kam sein plötzlicher Wunsch nach … körperlicher Nähe? Abby war die einzige Frau auf der Welt, mit der ihm das nicht passieren durfte.
„Wenn Sie mir bitte folgen würden, Mister Calloway …“
Abby stand auf und strich ihr Kleid glatt, was Judd erneut die Gelegenheit gab, ihre schönen Beine zu bewundern. Ein Seufzen unterdrückend, folgte er ihr. Vielleicht würde heute Abend ja doch noch etwas Unvorhergesehenes passieren.
Abby wusste selbst nicht, welcher Teufel sie geritten hatte.
In dem Moment, als Judd sie zum Spaß gebeten hatte, etwas Hübsches anzuziehen, hatte sie beschlossen, ihm eine Lehre zu erteilen. Diesmal wollte sie als Gewinnerin aus ihren berühmten Zweikämpfen hervorgehen.
Dafür hatte sie sich so richtig ins Zeug gelegt. Nicht nur das sexy schwarze Seidenkleid mit dem tiefen Ausschnitt, das sie zum Glück mitgenommen hatte, sondern auch ihr Make-up war perfekt. Sorgfältig hatte sie die blauen Augen geschminkt und ihr Haar so frisiert, wie sie es erst vor einigen Tagen von einem berühmten Stylisten gelernt hatte.
Abby hatte schon immer gern das Gegenteil von dem gemacht, was Judd von ihr erwartete. Sonst wäre es ja auch kein Spiel gewesen. Wahrscheinlich hatte er also mit ausgewaschenen Jeans und einem Schlabberpulli gerechnet.
Doch diesmal hatte sie es ihm so richtig zeigen wollen. Allerdings war dann doch nicht alles so gelaufen wie geplant.
Nie hätte sie mit einer solchen Reaktion auf ihren Auftritt gerechnet. Judd war völlig irritiert gewesen, als sie die Bar betreten hatte. Sie hatte seinen merkwürdigen Gesichtsausdruck gesehen und sich in Gedanken immer wieder ermahnt: Er ist nur ein Freund … Er ist nur ein Freund. Obwohl sie natürlich genau erkannt hatte, dass in seinem Blick etwas ganz anderes lag.
Wie war es danach weitergegangen? Sie hatte mit ihm geflirtet. Und dann hatte sie ihn auch noch berührt – zu ihrer eigenen Verwunderung.
Wieso hatte sie das getan …? Judd und sie hatten oft im Spaß miteinander geflirtet. Aber das war am Telefon oder per E-Mail gewesen.
„Wohin gehen wir?“
Judd hatte sie eingeholt.
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