Julia Sommerliebe 0023
ihren Augenwinkeln brannten verräterische Tränen. Wütend wischte sie sie weg. „Aber eben haben Sie noch gesagt …“
„Ich glaube, ich wollte mir das die ganze Zeit nur einreden, weil es so leichter für mich wäre. Und so, wie Sie sich manchmal zeigen, kann man schon auf komische Gedanken kommen.“ Er richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf und lächelte sie entschuldigend an.
„So, wie ich mich manchmal zeige …“, wiederholte Zoe benommen. Ging es denn nur um das äußere Erscheinungsbild? Um die Person, die sie zu sein vorgab, weil es ihr sicherer erschien, als ihr wahres Ich zu zeigen?
Hatte er trotz alledem nun die echte Zoe erkannt, die sich hinter dem Panzer der selbstbewussten Einzelkämpferin versteckte? Vielleicht bestand ja noch Hoffnung, dass er hinter die Fassade blicken konnte …
„Das ist doch alles nur eine Maske, oder?“, erkundigte sich Leandro leise. „Wer bist du eigentlich wirklich, Zoe Clark? Warum bist du nach Italien gekommen, wovor bist du geflohen? Allmählich habe ich den Eindruck, dass du auch ein paar dunkle Geheimnisse in deiner Vergangenheit hast – vielleicht sogar ähnlich viele wie ich.“
Damit hatte er voll ins Schwarze getroffen. Dass Leandro ihre Hintergründe kennenlernen wollte, erfüllte sie mit einer unstillbaren Sehnsucht. Danach, ihm alles zu erzählen, damit er die „echte Zoe“ erkannte … akzeptierte …
… und liebte.
Ganz langsam hob er die Hand und fuhr ihr sanft durchs Haar. „Und dann“, raunte er heiser, „würde ich gern noch wissen, warum ich einfach nicht aufhören kann, an dich zu denken.“
„Mir geht es genauso“, gestand Zoe mit zitternder Stimme.
Lange betrachteten sie sich schweigend.
Jetzt müssen wir eine Entscheidung fällen, dachte Zoe. Noch können wir einen Rückzieher machen – wenn es dafür nicht schon längst zu spät ist …
Nein, Leandro bedeutete ihr einfach schon zu viel. Wenn er sie so intensiv betrachtete, fühlte sie sich nackt und verletzlich. Und obwohl ihr das große Angst machte, sehnte sie sich unendlich danach, ihm nahe zu sein.
Ich will nicht länger alleine sein! Ich will lieben, fühlen, endlich irgendwo ankommen!
Und selbst wenn Leandro sie wieder abweisen würde, hätte sie es wenigstens probiert. Sie, Zoe Clark, die wurzellose Vagabundin, würde nun die Schutzhülle ihrer selbst gewählten Isolation verlassen!
Endlich war sie zu diesem Entschluss gelangt. Es hatte auch lange genug gedauert …
Es war schwer zu sagen, wer von beiden den ersten Schritt machte, wer schließlich den Abstand überbrückte, der sie trennte. Eben hatten sie sich noch reglos in die Augen gesehen, in der nächsten Sekunde waren sie fast miteinander verschmolzen, schlangen die Arme umeinander, berührten sich, küssten sich immer wieder. Sie suchten und fanden ihre Lippen und klammerten sich aneinander wie zwei Ertrinkende.
Als Zoe einen Schritt zurücktrat, stolperte sie über die Teppichkante. Sofort legte Leandro den Arm um sie, stützte sie, hielt sie ganz fest. Er gab ihr Halt, und nicht nur hier, nicht nur jetzt. Er kannte sie. Er konnte als einziger Mensch auf dieser Welt hinter ihre mühsam aufgebaute Fassade blicken. Jetzt hatte sie Gewissheit. Sie wollte ihn nie mehr loslassen.
Sie spürte seinen muskulösen Körper, seine kräftigen Oberschenkel und die muskulöse Brust. Er küsste ihren Hals, die nackten Schultern, ihren Nacken, ihr Kinn. Sie erschauerte und sehnte sich nach mehr … viel mehr.
Diesmal hatten ihre Berührungen weder etwas mit Verzweiflung noch mit Wut zu tun. Nun fühlte es sich einfach nur wunderschön an, als würde gerade etwas ganz Besonderes zwischen ihnen entstehen. Jedenfalls glaubte Zoe fest daran.
Sie vergrub die Finger in Leandros Haar und zog ihn an sich. Erneut küsste er sie, intensiv und leidenschaftlich, und Zoe ließ sich darauf ein, gab sich ihm völlig hin.
Leandro zog sich ein wenig zurück und hob ihr Kinn sanft an, sodass sie ihm direkt in die Augen schauen musste. Sein intensiver Blick fühlte sich noch viel intimer an als jeder Kuss.
„Zoe … Willst du das wirklich?“
Das Blut rauschte ihr in den Ohren, ihr ganzer Körper brannte vor Leidenschaft. Sie konnte kaum noch denken, dafür spürte sie alles umso intensiver … Am liebsten hätte sie geradeheraus Ja gesagt.
Aber unter Leandros intimem Blick konnte sie dieses eine, einfache Wort nicht aussprechen.
Und wenn sie Ja sagte, wozu würde sie eigentlich ihre Einwilligung geben? Zu einer
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