Julia Sommerliebe 0023
war, sie würde sich sehr darüber freuen.
„Sie glaubt, dass ich mit dir in ein französisches Restaurant gehe – was ihr überhaupt nicht gefällt, weil sie meint, dass Schnecken in den Garten und nicht auf den Teller gehören.“
Abigail wusste, dass sie darüber lachen sollte, aber die Vorstellung, dass Michael mit seinen Eltern über sie gesprochen hatte, lenkte sie zu sehr ab. „Du hast deiner Mutter von mir erzählt?“, fragte sie überrascht.
Er lehnte sich zurück, als der Kellner die Vorspeise – Pilzravioli – auf den Tisch stellte, wartete, bis er sich entfernte, und beugte sich vor, als gäbe es nur Abigail auf der Welt. „Natürlich. Aber nicht viel. Ich habe nur gesagt, dass ich am Strand ein Mädchen kennengelernt habe und mit ihr ausgehe. Und dass ich deshalb heute Abend nicht zu Hause esse.“
„Und was hat deine Mutter geantwortet?“
Er zuckte mit den Schultern. „Nur, dass wir lieber bei ihr essen sollten. Sie füttert nämlich jeden, der zu Besuch kommt. Niemand darf ihr Haus hungrig verlassen. Das ist ihre große Leidenschaft. Außerdem ist sie der festen Überzeugung, dass kein Mensch gezwungen werden darf, sich der französischen Küche auszusetzen. Abgesehen davon hat sie bloß gesagt, dass wir uns einen schönen Abend machen sollen.“
Abigail griff nach ihrem Glas, weil sie plötzlich einen Kloß im Hals hatte und ihn hinunterspülen musste.
„Warum fragst du? Möchtest du meine Familie vielleicht kennenlernen?“
Sie verschluckte sich fast. Bloß nicht, dachte sie panisch.
Das alles ging so unglaublich schnell! Außerdem war sie wirklich schon aufgeregt genug. Eine Begegnung mit seiner Familie würde ihren Blutdruck vermutlich in Rekordhöhen treiben.
„Nein, ich war nur neugierig“, erwiderte sie. Und dann stellte sie eine Frage, die sie sich gar nicht zugetraut hatte. „Schleppst du oft Mädchen ab, wenn du Heimaturlaub hast?“ Sie konnte kaum glauben, dass sie das gefragt hatte.
Selbst im schwachen Licht in der Ecke sah sie, wie seine Augen noch dunkler wurden. „Du wärest die Erste“, sagte er leise und ernst.
Wow. Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sein Blick war so durchdringend, dass sie fröstelte und eine Gänsehaut bekam.
„Ist dir kalt?“, fragte er mit sanfter Stimme.
Sie schüttelte den Kopf, denn sie brachte kein Wort heraus.
Ihr war alles andere als kalt. Hitze durchströmte ihren Körper, und sie musste sich beherrschen, um nicht nach Luft zu schnappen oder nervös auf ihrem Stuhl herumzurutschen.
Michael sagte nichts mehr. Aber sein Mund war schmal geworden, und an seiner Wange zuckte ein Muskel. Ahnte er etwa, was die Hormone in ihr anrichteten? Oder wehrte auch er sich gegen das Verlangen, das ihn unvermittelt zu überwältigen drohte? Vielleicht traf sogar beides zu.
Bald wurde ihr Essen serviert. Köstliches Fleisch und feiner Fisch mit exquisiten Gemüsebeilagen, die jeden Gourmet zum Schwärmen gebracht hätten. Doch Abigail und Michael verloren kein Wort darüber.
Sie aßen schnell und ohne viel zu reden, als hätten sie vorhin im Gespräch eine unsichtbare Grenze überschritten. Eine Grenze, hinter der ein verbotenes Gebiet lag, auf das sie sich nicht wagen wollten, das sie aber anzog. Und mit jedem Wort würden sie Gefahr laufen, zu nah an die Grenze zu gelangen.
Denn ein lockeres Geplauder, das jedem half, den anderen besser kennenzulernen, schien jetzt nicht mehr möglich. Die Zeit belangloser Themen war vorbei, über ihre Familien oder ihre Arbeit hatten sie genug geredet. Und so blieb ihnen nur, zu schweigen.
Es herrschte eine angespannte, erotisch aufgeladene Atmosphäre. In der Luft lagen ein nur schwer zu bändigendes Verlangen, eine unausgesprochene Sehnsucht nacheinander und … irgendetwas, das Abigail fremd war, weil sie es noch nie erlebt hatte.
Auch die Nachspeise, so köstlich sie war, kommentierte keiner von beiden. Und tatsächlich konzentrierten sie sich auf tausend andere Empfindungen als auf den Geschmack des Desserts.
Den letzten Bissen Tiramisu schmeckte Abigail kaum noch, obwohl sie es normalerweise vergötterte.
Michael schien es ähnlich zu gehen, denn kaum hatte der Kellner ihm die Kreditkarte zurückgegeben, stand er auf und zog Abigails Stuhl zurück, als sie sich ebenfalls erhob. „Fahren wir?“, fragte er.
Sie nickte, er ließ ihr den Vortritt, und nach kurzem Zögern ging sie zur Tür. In der Hotelhalle hatte er wie selbstverständlich ihre Hand genommen, aber jetzt
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