Julia Sommerliebe 0023
keine Zukunft gab – dass es gar keine Zukunft für sie geben konnte.
In einer Woche würde sie in ihr altes Leben zurückkehren. In ihren Job. Nach Ohio.
Und Michael würde nach Kalifornien fliegen und seinen Dienst in Camp Pendleton antreten.
Unterschiedlicher konnten ein Mann und eine Frau kaum sein. Und weiter voneinander entfernt, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne.
Nein, eine gemeinsame Zukunft konnte es nicht geben, auch wenn Abigail es sich noch so sehr wünschte. Ihr blieb nur, die restliche Zeit in Florida in vollen Zügen zu genießen und als schöne Erinnerung nach Hause mitzunehmen, um sich an den langen, kalten Tagen daran zu wärmen.
Und das tat sie auch. Sie genoss jede einzelne Sekunde mit Michael Mastriani.
Rachel wäre stolz auf sie.
Bevor sie wusste, wie ihr geschah, brach der Sonntag an. Der Moment der Wahrheit. Heute würde sie ihn zu seinen Eltern begleiten.
Ein panischer Anruf bei ihrer besten Freundin beruhigte sie nicht halb so sehr, wie sie gehofft hatte.
Denn Rachel war nicht davon abzubringen, dass ein Besuch bei der Familie des Traummanns auf Zeit nur selten zu einem heißen Urlaubsflirt gehörte. Da steckte auf jeden Fall mehr dahinter, war sich Rachel sicher.
Sie riet Abigail, sich auf keinen Fall bei heimlichen Zärtlichkeiten unter dem Esstisch erwischen zu lassen – was kein besonders hilfreicher Tipp war.
Schon eine Stunde, bevor er sie abholen sollte, zog Abigail Jeans und Stoff-Ballerinas mit einer roséfarbenen Zierschleife an. Die Jeans waren nicht zu eng, der Ausschnitt des Tops nicht zu tief, und die Absätze hatte sie ja ganz weggelassen. So konnte sie sich der Familie eines zugegebenermaßen doch interessanten Mannes zeigen.
Sie entschied sich für eine schlichte goldene Halskette, Ohrringe und ein schmales Armband, trug das lange Haar offen und war gerade dabei, sich einen Hauch Parfüm hinter die Ohren und auf die Handgelenke zu tupfen, als es an der Tür klopfte.
Sie presste eine Hand auf den Bauch, um die Schmetterlinge zu beruhigen, atmete noch einmal tief durch und öffnete.
Michael stützte sich mit einer Hand am oberen Rahmen ab und lächelte sie an. „Können wir?“, fragte er.
„Ich muss nur noch meine Tasche holen.“ Sie rannte zum Fensterbrett, stopfte die Schlüsselkarte in ein Seitenfach ihrer Tasche, eilte wieder nach vorn und schloss die Zimmertür.
„Ich hoffe, du magst Lasagne“, sagte Michael, als sie in der Hotellobby aus dem Fahrstuhl stiegen. Sie durchquerten die Halle, er half ihr in den Wagen und setzte sich ans Steuer. „Die macht meine Mutter nämlich besonders gern, und als sie hörte, dass ich jemanden mitbringe, hat sie sofort in ihren Rezepten geblättert. Ich könnte wetten, dass sie bei der Lasagne hängen geblieben ist.“
„Ich liebe Lasagne“, erwiderte Abigail und zögerte einen Moment, bevor sie die Frage stellte, die ihr seit Stunden auf der Seele brannte. „Was hast du deinen Eltern über mich erzählt?“
Michael warf ihr einen forschenden Blick zu, bevor er sich wieder auf den Verkehr konzentrierte. „Dass wir uns am Strand bei einem meiner Zehnmeilenläufe kennengelernt haben.“ Er lächelte. „Und dass du der Grund dafür bist, dass ich in diesem Heimaturlaub so selten zu Hause bin.“
Sie fühlte, wie sie errötete. „Aber du hast ihnen nicht gesagt, wie du konkret deine Zeit verbringst, oder?“
Sie dachte an die halb leere Schachtel mit Kondomen, die im Nachtschrank neben ihrem Bett ihren festen Platz gefunden hatte.
„Aber natürlich“, erwiderte er trocken.
Abigail erschrak sichtlich und gab einen entsetzten Laut von sich.
Michael lachte fröhlich. „Entspann dich, Abby. Ich habe nur erzählt, wo wir beide in der letzten Woche überall waren, sonst nichts. Es gibt ein paar Dinge, die meine Familie nun wirklich nichts angehen.“
Sie atmete auf.
Minuten später hielten sie vor einem hübschen zweigeschossigen Haus mit eingezäuntem Vorgarten.
Dunkle Fensterläden lockerten die strenge weiße Fassade auf. Links und rechts des gepflasterten Wegs und am Verandageländer blühten farbenprächtige Blumen.
„Keine Sorge“, sagte Michael, bevor er ihr die Pforte öffnete, eine Hand auf Abigails Arm legte und mit ihr zur Haustür ging. „Sie werden dich mögen. Außerdem ist es nur ein Mittagessen.“
Nur ein Mittagessen – mit seinen Eltern.
An der Tür zögerte er, die Hand bereits auf dem Knauf. Dann legte er die andere an ihr Gesicht, streichelte mit dem Daumen ihre
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