Julia Sommerliebe Band 22
Verhalten des Arztes ihm gegenüber nicht.
Der Arzt hingegen sah sehr wohl, wie merkwürdig sich sein Patient benahm. Und deshalb zögerte er, ihm die wichtige Neuigkeit mitzuteilen. Er hielt die Ergebnisse der zweiten Blutuntersuchung in der Hand, aber es kostete ihn Überwindung, den Fehler einzugestehen, der ihm unterlaufen war.
„Entschuldigen Sie vielmals, dass ich Sie so lange habe warten lassen, Königliche Hoheit.“ Dann warf er einen Blick auf die vor ihm liegenden Zahlen und lächelte.
Rafik bemerkte das Lächeln nicht. Das Einzige, was er sah, war Gabbys Gesicht, als sie gefragt hatte: „Was dachtest du denn, aus welchem Grund ich dich geheiratet habe, Rafik?“ Er konnte ihren Blick nicht vergessen.
Was hatte er gedacht, warum sie ihn geheiratet hatte?
Das war eine naheliegende Frage. Aber erst jetzt wurde Rafik klar, dass er diese Frage die ganze Zeit ignoriert hatte, weil er die Antwort kannte.
Und wenn er sich eingestanden hätte, dass er die Antwort kannte, hätte er Gabby weder heiraten noch bei sich behalten dürfen.
Als todkranker Mann hatte er einer Frau, die ihn liebte, nichts außer Kummer zu bieten. Das einzig Richtige wäre gewesen, sie fortzuschicken. Stattdessen hatte er vom ersten Moment an nach einer Möglichkeit gesucht, sie am Gehen zu hindern.
Doch das wurde ihm erst jetzt bewusst.
Und in diesem Moment begriff er, dass er keinen Erben gewollt hatte, sondern Gabriella.
Er vergrub den Kopf in den Händen.
Der Arzt beugte sich zu ihm herüber. „Ich kann Ihnen nicht verdenken, wenn Sie kein Verständnis für diesen Fehler haben. Es tut mir sehr leid, Sie derartig in Angst und Schrecken versetzt zu haben.“
Rafik hob den Kopf. „Verständnis?“
„Heutzutage sind wir so stark auf Computer angewiesen, und die Ergebnisse der ersten Blutuntersuchung ergaben …“ Schuldbewusst wandte er den Blick ab. Ob die königliche Familie von Zantara ihn verklagen würde? Dann wäre seine Karriere als Arzt so gut wie erledigt.
„Nachdem wir die falsche Einstellung des Laborcomputers bemerkt hatten, haben wir alle Ergebnisse noch einmal überprüft. Ihr Fall ist der Einzige, in dem der Fehler Auswirkungen auf die Ergebnisse hatte, Hoheit. Sie hatten eine mildere Erscheinung der Krankheit. Gelegentlich kann sich aus der milden Variante ein schwerer Ausbruch entwickeln, und wir dachten, Sie seien daran erkrankt.
Aber es kommt auch vor, dass die Krankheit von ganz allein wieder verschwindet. Ein Wunder“, fügte er mit gekünsteltem Lachen hinzu. „Normalerweise würde ich den Begriff nicht verwenden, aber in diesem Fall …“
Das Wort drang bis zu Rafik vor. „Wunder? Von was für einem Wunder reden Sie da, Herr Doktor?“
„Ich kann verstehen, dass es Ihnen unerklärlich erscheint …“
Vor allem, da er überhaupt nicht zuhörte! „Würden Sie das bitte noch einmal wiederholen?“, bat Rafik. „Ich bin nicht sicher, ob ich alles richtig …“
„Selbstverständlich. Und ich verstehe auch Ihre Zurückhaltung. Eine fehlerhafte Einstellung des Laborcomputers, mit dem die Ergebnisse Ihrer Blutproben analysiert wurden, hat zu einer falschen Diagnose geführt. Sie litten unter einer milderen Form der Krankheit, die Sie mittlerweile überwunden haben. Ich habe die Ergebnisse noch einmal überprüft, und Ihr Blutbild ist ganz normal. Nichts Ungewöhnliches. Wie gesagt, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie leid es mir tut.“
Rafik schluckte. „Heißt das …“
„In Ihrem Blut findet sich nicht die Spur einer Erkrankung.“
„Ich werde nicht sterben?“
„Jedenfalls nicht in nächster Zukunft. Trotzdem sollten Sie sich regelmäßig untersuchen lassen.“
„Wochenlang habe ich gedacht, ich würde sterben!“
Der Arzt zuckte zusammen und nickte beklommen.
Prinz Rafik starrte ihn ungläubig und wütend an. „Wenn Sie angeblich der beste Arzt sind, dann zeigen Sie mir den schlechtesten! Seien Sie froh, dass ich meinem Vater nichts davon erzählt habe! Es hätte ihn womöglich umgebracht! Mein Leben ist … der Fehler hat mich …“ Er hielt inne. Immerhin hatte der Computerfehler ihm Gabby beschert.
Sein erster Impuls, den Arzt zu erwürgen, verwandelte sich in das Bedürfnis, ihn zu umarmen.
„Ich werde nicht sterben.“ Rafik, dessen Brust sich hob und senkte, als sei er gerade gerannt und noch aus der Puste, starrte den Arzt an. Langsam zeichnete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht ab. „Danke“, sagte er und schüttelte dem Arzt die Hand. „Nächstes Mal
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