Julia Sommerliebe Band 22
gründlich untersuchen lassen, wenn dir das lieber ist.“
Gabby lächelte unter Tränen. „Danke. Falls es dich tröstet: Ich finde, dass du absolut nicht krank aussiehst.“ Sie legte den Kopf schief und betrachtete Rafik aufmerksam. Wahrscheinlich war es nur Wunschdenken, aber sie hatte den Eindruck, als sei sein Gesicht weniger eingefallen als in den letzten zwei Wochen, und auch sein Teint wirkte gesünder.
Zärtlich umfasste er ihren Hinterkopf und zog sie an sich. „Wenn du bei mir bist, fühle ich mich nicht krank.“
Gabby schlang die Arme um ihn und küsste ihn stürmisch auf den Hals. Dann näherte sie sich seinem Mund, und als ihre Lippen nur noch wenige verlockende Millimeter von seinen entfernt waren, flüsterte sie: „Meinst du, es wäre möglich …“
„Was wäre möglich?“, fragte er, die Finger in ihrem Haar und ihren Duft in der Nase.
Nachdem sie tief eingeatmet hatte, stellte sie die Frage, die ihr schon seit Tagen auf der Seele lastete. „Meinst du, dass du doch wieder gesund wirst?“
Rafik unterdrückte einen Fluch und ließ sie los. „Hatten wir nicht abgemacht, dass wir nicht darüber reden wollen?“
Gabby sah einen Muskel in seiner Wange zucken.
„Der Arzt hat eine eindeutige Diagnose gestellt. Ich habe keine Chance auf Heilung.“
„Aber vielleicht …“, beharrte sie, unfähig, das Thema einfach unter den Tisch fallen zu lassen. „Du hast gesagt, dass du seit Monaten zum ersten Mal wieder durchschlafen konntest und dass du dich weniger müde fühlst …“
„Es reicht!“ Rafik stand auf und sah sie streng an. „Wir werden nicht länger darüber reden.“
„Aber …“
Mit einer gebieterischen Handbewegung schnitt er ihr das Wort ab.
„Ich lasse mir von dir nicht den Mund verbieten“, erwiderte Gabby. „Warum kannst du es nicht wenigstens in Erwägung ziehen?“
„Da gibt es nichts in Erwägung zu ziehen.“
Gabby ließ sich aufs Bett sinken und rollte sich zusammen, während Rafik zurück ins Bad ging. Na, das hat ja prima geklappt, dachte sie.
Noch bevor Rafik den Wasserhahn aufgedreht und seinen Kopf unter den kalten Strahl gehalten hatte, war sein Ärger so gut wie verflogen. Er richtete sich auf und schüttelte den Kopf, wobei viele kleine Tröpfchen auf dem Spiegel landeten.
Dann wischte er über die glatte Oberfläche, beugte sich vor und betrachtete sein Spiegelbild.
Er lächelte sich an. Die Macht der Autosuggestion war schon erstaunlich. Er konnte in den Spiegel schauen und dort erkennen, was er sehen wollte.
Als ihm Gewissensbisse kamen, seufzte er tief auf.
Er hatte nicht gemein zu Gabby sein wollen. Er wusste, dass ihre Absichten die allerbesten waren, aber er musste sie vor falschen Hoffnungen schützen.
Der Gedanke, mit ansehen zu müssen, wenn ihre Hoffnungen zerschlagen würden, zerriss ihm das Herz. Es war besser, wenn er jetzt hart mit ihr war, als wenn sie sich irgendwelchen Illusionen hingab.
Mit beiden Händen strich er sich das Wasser aus den Haaren. Dann wandte er sich ab und dachte über sein eigennütziges Verhalten nach. Wenn er sie wirklich liebte, hätte er sie gehen lassen müssen.
Aber dazu war es jetzt zu spät.
Gequält von Selbstvorwürfen, bückte er sich nach dem Handtuch. Dabei stieß er mit dem Ellenbogen gegen eine halb geöffnete Schublade, deren Inhalt sich auf den Fußboden ergoss.
Zunächst machte er keine Anstalten, die Sachen aufzuheben, doch dann fiel ihm eine kleine Pillenpackung auf – oder, besser gesagt, der Name, der darauf stand. War Gabriella etwa krank?
Besorgt runzelte er die Stirn und hob die Schachtel klopfenden Herzens auf. Er las den Aufdruck mehrere Male, bevor er begriff.
Gabby drehte sich zu Rafik um, als sie hörte, wie die Badezimmertür aufging. „Hast du dich inzwischen ein bisschen beruhigt?“
Offensichtlich nicht. Als er sich dem Bett näherte, auf dem sie noch immer saß, blitzten seine Augen eiskalt. An der Spannung seines Körpers und der Art, wie er sich bewegte, konnte sie erkennen, wie wütend er war. Am Fußende des Bettes blieb er stehen und sah sie mit einer Mischung aus Wut und Resignation an.
Er stand dort lange genug, dass Gabby ganz starr vor Angst wurde. Sie hatte keine Ahnung, was passiert sein mochte, und sie war wütend. Wie konnte er es wagen, sie so anzusehen?
„Würdest du mir das bitte erklären?“
Widerwillig wandte sie ihren Blick der Schachtel zu, die er auf das Bett geworfen hatte. Sie brauchte nicht danach zu greifen; sie wusste sofort, was
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