Julia Sommerliebe Band 23
Zoll erwies sich als ermüdend, weil ein Tourist vor wenigen Tagen Sicherheitsalarm ausgelöst hatte. Verständlicherweise ging nun das gesamte Flughafenpersonal besonders wachsam und gründlich vor. Die Abfertigung an den Checkpoints dauerte wesentlich länger als gewöhnlich, selbst für Inhaber eines italienischen Reisepasses.
Das Gebäude war klimatisiert, doch auf Claire wirkte die Luft ungewöhnlich stickig. Antonio beobachtete, wie sie sich mit einem Taschentuch Schweißperlen von der Stirn wischte, und fragte besorgt: „Geht es dir nicht gut, cara? Das Gedränge zehrt an den Nerven, ich weiß, aber wir werden bald zu Hause sein.“
Zu Hause. Er sagt es so selbstverständlich, als wäre es auch mein Zuhause. Aber das wird es nie sein, solange ich mich nicht von dir geliebt und akzeptiert fühle. Sie konnte überall mit ihm leben, wenn er nur ihre Liebe erwiderte. Sein Herz war ihr Zuhause und würde es immer bleiben.
Die Fahrt zum Palazzo Marcolini verzögerte sich durch einen Verkehrsstau, doch schließlich kam das vertraute Anwesen in Sicht.
Stattlich und stolz ragte das dreistöckige Herrenhaus auf. Das üppige Grün der Bäume und die blühenden Büsche, die schwere Sommerdüfte verströmten, ließ Claire an das dürre und staubige Outback denken, wo ihre Mutter Jahr für Jahr vergeblich versuchte, Blumen und Gemüse zu ziehen.
Ein weiterer großer Unterschied zu Claires Heimat war die große Anzahl an Bediensteten, die bei den Marcolinis beschäftigt waren. Haushälter, Köche, Gärtner und Poolpfleger, ganz zu schweigen von einem Chauffeur, der vierundzwanzig Stunden am Tag Bereitschaftsdienst zu haben schien.
„Hast du nicht gesagt, dass deine Mutter jetzt im Krankenhaus versorgt wird?“, fragte Claire, wobei sie unwillkürlich die Stimme zu dem gedämpften Flüsterton senkte, in dem alle Hausangestellten sprachen, denen sie bisher begegnet war.
„Doch“, bestätigte Antonio, „aber sie hat inzwischen den ausdrücklichen Wunsch geäußert, zu Hause im Kreis ihrer Familie zu sein.“
Sie blickte zu der prachtvollen Marmortreppe hinauf und sah seinen jüngeren Bruder herunterkommen.
Mario war hochgewachsen, schlank und durchtrainiert von Fitnessstudio und Pool. Er sah ebenso attraktiv aus wie sein älterer Bruder.
Auch er hatte dunkle, beinahe schwarze Augen, doch seine blickten immer hart und betrachteten die Welt mit einem abgeklärten Zynismus, den er sich zu eigen gemacht hatte wie eine zweite Haut, die sich nicht mehr abstreifen lässt. Aus Antonios Augen sprach dagegen oft Mitgefühl mit seinen Patienten.
„Die verlorene Ehefrau ist also zurückgekehrt“, bemerkte Mario spöttisch, als er den Fuß der Treppe erreichte. „Willkommen zu Hause, Claire.“
Antonio schimpfte mit ihm auf Italienisch und fragte dann auf Englisch: „Wie geht es Mamma? “
„Sie ist bei Bewusstsein, aber ziemlich verwirrt. Sie hält mich ständig für Papà. “
Antonio lachte. „Du siehst ihm eben sehr ähnlich. Hat sonst schon jemand sie besucht?“
„Daniela war gestern hier, mit Ehemann und Baby.“ Mario warf einen flüchtigen Blick zu Claire und fügte hinzu: „Ich weiß nicht, ob sie noch mal vorbeikommt.“
Sie spürte, dass sie errötete. Sollte sie für alle Ewigkeit an den dummen Fehler erinnert werden, dass sie ihrem Mann eine Affäre unterstellt hatte?
Antonio massierte sich die verkrampften Nackenmuskeln und sagte: „Ich sollte mich jetzt lieber um Mamma kümmern. War ihr Arzt heute schon hier?“
Mario nickte grimmig. „Du kannst nichts für sie tun, Antonio. Du bist nicht ihr Doktor, sondern ihr Sohn. Vergiss das nicht.“
Antonio schluckte den Kloß hinunter, der ihm in die Kehle gestiegen war. „Kannst du Claire etwas zu trinken geben und sie in unser Zimmer bringen? Sie ist müde von der Reise. Auf dem Weg durch den Zoll wäre sie beinahe umgekippt.“
Claire errötete erneut. Sie war überzeugt, dass Mario ihren Schwächeanfall für vorgetäuscht hielt, aber ihr war immer noch schwindlig und übel.
Ein Langstreckenflug über mehrere Zeitzonen hinweg sorgte nicht einmal in einem Luxusflieger für hundertprozentiges Wohlbefinden, selbst ohne den begründeten Verdacht, schwanger zu sein.
Auch die plötzliche Sommerhitze in Italien nach den gemäßigten Wintertemperaturen in Sydney war gewöhnungsbedürftig.
Sogar Antonio sah aschfahl und unglaublich müde aus, mit dunklen Schatten unter den Augen, aber ihm stand ja auch der traurige Verlust seiner Mutter bevor, so kurz
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