Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie
die Rede ist. Janukowitsch hat seit dem Maidan davon geträumt, sich für seine Erniedrigung zu rächen. Dein Wahlprogramm verspricht, »Verbrecher ins Gefängnis« zu bringen, und du meinst damit mich, Janukowitsch? Bitte schön! Nur wirst du es sein, die ins Gefängnis wandert! Außerdem kommt zum Hass bei ihm sicher auch eine pathologische Angst vor Timoschenko. Überdies fehlt ihm jegliche europäische Erfahrung – und damit ist der selbstmörderische Cocktail fertig gemixt. Am wahrscheinlichsten ist, dass Präsident Janukowitsch gar nicht ahnte, welchen Preis er und die von ihm bei den Wahlen eroberte Ukraine für die kindliche Freude zahlen muss, die »orangene Prinzessin« hinter Gittern zu sehen.
Der Kiewer Politologe Alexej Garan hingegen geht davon aus, dass jemand in Janukowitschs Umgebung »sehr gekonnt mit seinen Gefühlen spielt«. Garan schließt nicht aus, dass es sich dabei um »russische Geheimdienste oder russische Lobbyisten aus Janukowitschs Umgebung« handeln könnte, und hier öffnen sich Tür und Tor für allerlei Verschwörungstheorien. Denn ein schwacher, von der Opposition gehasster ukrainischer Präsident ist nicht in der Lage, in den Auseinandersetzungen mit dem Nachbarn im Osten die Unabhängigkeit seines Landes zu behaupten, und genau das könnte das Ziel der Operation »Timoschenko in den Knast« sein. Über sein Verhältnis zum Westen braucht man gar nicht erst zu sprechen: Das ist völlig verdorben, was für Janukowitsch ebenfalls eine schlechte Nachricht ist. In Europa vergleicht man ihn bereits mit Lukaschenko.
Rodion Kirejew beendet die Verlesung des Gerichtsurteils: »Das Gericht verkündet, im Verlauf der Untersuchung ihres Falls in Timoschenkos Verhalten keine Reue festgestellt zu haben … verurteilt zu sieben Jahren Haft.« Tochter Jewgenia schmiegt sich an ihre Mutter. Diese küsst sie auf die Schläfe. Tausende Menschen auf der Straße bringen ihre Solidarität mit der Verurteilten zum Ausdruck, die tollkühnsten von ihnen prügeln sich mit der Miliz. Es sind Tausende, aber nicht Hunderttausende wie damals auf dem Maidan. Timoschenko wird abtransportiert – zur Verbüßung ihrer Freiheitsstrafe.
Oleksandr Timoschenko emigriert bald darauf nach Tschechien – auf Drängen seiner Frau, damit sie nicht wie seinerzeit unter Kutschma erpressbar wird durch die Drohung, man werde ihren Mann, einen Unternehmer, verhaften. In der Ukraine zurück bleibt Jewgenia, die geliebte und einzige Tochter. Sie wird für die Freilassung von Julia Timoschenko kämpfen.
Auch ein Schicksal, das eines Buches würdig wäre.
In weit zurückliegenden sowjetischen Zeiten war es der Traum vieler sowjetischer Mädchen der Generation von Julia Timoschenko gewesen, einen Ausländer zu heiraten und sich davonzumachen ins kapitalistische Paradies. Jewgenia, die nach ihrem langjährigen Studium in London schon eine halbe Engländerin geworden war, hat diesen Traum auf den Kopf gestellt. Es war wohl eher Sean Carr, für den mit dieser Ehe ein Traum Wirklichkeit wurde. Im Oktober 2005 veröffentlichte die Londoner Times ein Foto von der »Starhochzeit« mit der Überschrift »Ukrainische Erbin geht mit Schuster aus Leeds den Bund fürs Leben ein«. Die Times stellte ihren Lesern das Paar lakonisch vor: Jewgenia Timoschenko, 25 Jahre, Erbin eines Vermögens von ungefähr sechs Milliarden Pfund, ihre Mutter – ehemalige Ministerpräsidentin … Sean Carr, 36 Jahre, langhaariger Rocker, Inhaber einiger Schuhwerkstätten in Leeds, Vater einer zehnjährigen Tochter, vorbestraft wegen Prügelei im Jahr 2003.
Als der prügelnde Musiker aus Yorkshire Jewgenia kennenlernte, wusste er nichts von der Herkunft seiner neuen Freundin, fühlte aber sofort, dass sie aus verschiedenen sozialen Schichten kamen. »Für eine Studentin lebte sie in unvorstellbarem Luxus«, bemerkte er in einem Interview. In die Ukraine reiste Carr zum ersten Mal in den Tagen der Orangenen Revolution im November 2004 – und geriet gleich auf den Maidan. Dort sah es aus wie bei einem Rockkonzert der Extraklasse. Die Mutter seiner Braut hielt vor der Menschenmasse eine Rede, und die Menschenmasse skandierte ohrenbetäubend: »Julia! Julia! Julia!« Zwei Monate später wurde seine zukünftige Schwiegermutter Ministerpräsidentin. Carr bekannte gegenüber Journalisten, sie habe ihm zunächst einen Schrecken eingejagt.
Nach sechs Jahren Ehe gewann das Gefühl des Schreckens Oberhand: Das Glamourgirl aus einer Milliardärsfamilie hatte sich
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