JULIA VALENTINSBAND Band 21
gar nicht mehr so erpicht auf dieses Spiel, das doch nur mit einem Ergebnis enden konnte. Selbst wenn er sich aus dem Geschäft zurückzog, würde Rodney nur einen anderen Käufer präsentieren – falls er jemanden fand, der ihm ein annehmbares Angebot für seine angeschlagene Firma machte. Celeste konnte gar nicht gewinnen. Sollte er ihren Vater vielleicht überreden, ihren Plan zu unterstützen, bis sie von selbst aufgab? Oder wäre es humaner, dem Ganzen sofort ein Ende zu setzen? Er wusste aus Erfahrung, dass es schmerzlicher sein konnte, sich an eine Vorstellung zu klammern, als sich der Wahrheit zu stellen. Je früher man die Realität akzeptierte, desto früher konnte man sich daranmachen, eine Lösung zu suchen.
Der Geruch nach frischem Toast und Muffins vertrieb alle anderen Gedanken, sobald sie das Haus betraten. Erst jetzt fiel Ben richtig auf, dass er Hunger hatte. Er wollte gerade gehen, um sich die Hände zu waschen, als Stimmen zu ihnen drangen.
Celeste drehte sich zu ihm um. „Mein Vater ist wieder da.“
„Und offenbar hat er weibliche Gesellschaft dabei.“
Rodney und sein Gast standen im Wohnzimmer unter dem Kronleuchter. Ben erkannte die Frau. Sie war am Abend zuvor auch hier gewesen. Dass Rodney sie gerade küsste, überraschte ihn nicht im Geringsten. Er hatte gestern schon so einen Verdacht gehabt.
Celeste schlug die Hände vor den Mund, und ein kleiner Laut entfuhr ihr.
Ihr Vater löste sich von der Frau – Suzanne Simmons. Er rieb sich den Nacken und räusperte sich verlegen. „Celeste, Benton, Mrs. Simmons ist euch ja schon bekannt.“
Ben machte einen Schritt näher zu Celeste hin, um ihr beizustehen. Dann nickte er grüßend. Celeste konnte sich zu keiner Willkommensgeste durchringen, und er verstand sie. Das musste ein Schock für sie sein.
„Was soll das?“, fragte sie jetzt mit brüchiger Stimme.
Suzanne berührte Rodney am Arm, sah aber zu Celeste hinüber. Rodney tätschelte ihr beruhigend die Hand und ging dann zu seiner erstarrten Tochter. „Suzanne und ich werden heiraten, Celeste. Ich möchte wieder eine Familie haben.“
Celeste schluckte. „Dad, du bist fünfundsechzig!“
Seine Wangen färbten sich rosa. „Suzanne ist schwanger. Du kannst dich also auf einen kleinen Bruder oder eine kleine Schwester einstellen. Gestern gab es eine kleine Komplikation, aber inzwischen ist alles wieder in Ordnung.“ Er drehte sich mit einem Lächeln zu seiner zukünftigen Frau um. „Es ist einfach wunderbar.“
Ben spürte, dass Celeste sich versteift hatte, aber er selbst streckte die Hand aus. „Ich gratuliere Ihnen, Rodney.“ Dann nickte er Suzanne zu. „Ich wünsche Ihnen, dass Sie sehr glücklich miteinander werden.“
Wieder so eine hohle Phrase, dachte er, aber sie wurde wohlwollend aufgenommen. Er selbst glaubte nicht an die Liebe, denn man konnte nicht darauf zählen, was nach diesem „und wenn sie nicht gestorben sind“ kam.
Suzanne kam näher und nahm Celestes Hände. „Es tut mir leid. Das muss ein Schock für Sie sein. Wir wollten es Ihnen eigentlich heute Abend in Ruhe erzählen.“ Sie sah auf ihren wohlgerundeten Bauch hinunter. „Ich hoffe, wir können eines Tages Freundinnen werden.“
Celeste zwang sich zu einem Lächeln. „Ich wünsche Ihnen – euch beiden – viel Glück.“
Jetzt sprach Suzanne Ben an. „Ihr Angebot kommt genau zur richtigen Zeit. Wir möchten unser Leben mit dem Baby einfach nur in Ruhe genießen, ohne uns immer Sorgen ums Geschäft machen zu müssen.“ Sie wandte sich wieder Celeste zu. „Ihr Vater hat mir erzählt, dass Sie Ihr Geschäft gern erweitern möchten. Wie aufregend. Wahrscheinlich können Sie es kaum erwarten, mit der Suche nach dem richtigen Laden anzufangen.“
Celestes Züge waren wie versteinert, als sie jetzt zu ihrem Vater hinübersah. Aber er konnte ihr nicht in die Augen schauen und wandte den Blick ab.
Ben fühlte mit ihr. Natürlich war sie in einer anderen Situation als er damals, er war schließlich noch ein winziger Säugling gewesen. Aber der Schock musste tief sitzen. Vermutlich ging es ihr so ähnlich wie ihm damals, als er mit zehn Jahren den ersten richtigen „Vater“ gefunden und dann von einem auf den anderen Tag auf einmal kein Heim mehr gehabt hatte. Wahrscheinlich spielte das Alter, wenn man plötzlich ins Abseits gestellt wurde, keine Rolle. Der Schmerz war immer groß. Aber ihr konnte er heute wenigstens helfen.
Ben ging auf Rodney zu. „Wir hatten Sie noch gar nicht so bald
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