Julia Winterträume Band 8 (German Edition)
diskutierten hitzig mit einer zierlichen jungen Frau, deren Haar wie rotes Herbstlaub leuchtete. Hinter ihrem Rücken drängten sich besagte drei Schwestern schluchzend aneinander.
„Ich entdecke niemanden auf dem Dach.“ Er sah seine Tante fragend an.
„Nun, vermutlich hat sich die Lage inzwischen etwas entspannt, wenn auch nicht völlig, wie du selbst siehst.“
Lina hatte recht. Bewundernd betrachtete er die Frau mit den langen roten Haaren und der kämpferischen Miene, die dem Furcht einflößenden Stammesfürsten so tapfer die Stirn bot.
As’ad trat auf ihn zu und neigte zur Begrüßung respektvoll den Kopf. „Tahir, du verlässt die Wüste nicht oft, um uns mit der Ehre deiner Anwesenheit zu beglücken. Hast du vor, länger zu bleiben?“
Tahir zügelte seinen Zorn und verbeugte sich respektvoll. „Prinz As’ad. Endlich ein Mensch mit Verstand! Ich wollte Euch in der Stadt aufsuchen, doch diese Frau …“, er spuckte das Wort aus wie eine Beleidigung, „… macht Schwierigkeiten. Die Pflicht hat mich hergeführt sowie das Bedürfnis, die Gastfreundschaft der Wüste zu bekunden. Das begreift diese Amerikanerin offenbar nicht und hindert mich an der Erfüllung meiner ehrenvollen Aufgabe.“ Tahirs Stimme bebte vor unterdrückter Wut und Empörung.
As’ad unterdrückte ein entnervtes Seufzen. Hier stand ihm noch einiges bevor, das ahnte er.
„Ich werde euch bis zum letzten Atemzug verteidigen, falls nötig“, ließ sich in diesem Moment die Lehrerin mit fester Stimme vernehmen. „Ihr Vorhaben ist unmenschlich und grausam. Das erlaube ich nicht!“ Sie funkelte As’ad kampflustig an. „Daran können auch Sie nichts ändern.“
„Sie sind …?“ Er schlug bewusst einen herrischen Ton an. Um Kontrolle über die Situation zu erlangen, musste er seine absolute Autorität demonstrieren.
„Kayleen James. Ich bin Lehrerin.“ Sie wollte noch etwas hinzufügen, doch As’ad schüttelte den Kopf.
„Ich stelle hier die Fragen, und Sie antworten.“
Unter ihren Sommersprossen wurde sie blass. „Was soll das heißen? Wissen Sie überhaupt, was dieser schreckliche Kerl mit den drei unschuldigen Mädchen vorhat?“, trotzte sie ihm unerschrocken.
Ihre großen Augen waren von ungewöhnlicher Farbe: einer Mischung aus Meergrün und Saphirblau. Jetzt, da Tränen sie verschleierten, dominierte das Blau.
As’ad wandte sich an Tahir. „Mein Freund, was genau führt dich hierher?“
Tahir deutete auf die Mädchen. „Die da. Ihr Vater stammt aus meinem Dorf. Er ging fort, um die Schule zu besuchen, aber er ist immer noch einer von uns. Kürzlich erfuhren wir von seinem Tod. Ich bin hier, um die Mädchen nach Hause zu holen, ins Dorf.“
Kayleen machte einen Schritt auf ihn zu. „Wo Sie sie voneinander trennen und zu Hausdienerinnen machen wollen.“
„Es sind Mädchen, und irgendjemand muss sich um sie kümmern. Einige Familien im Dorf haben sich bereit erklärt, jeweils eine bei sich aufzunehmen. Wir ehren das Andenken ihres Vaters.“ Tahir blickte As’ad stolz an. „Man wird sie gut behandeln, dafür verbürge ich mich mit meiner Ehre.“
„Niemals!“, rief Kayleen leidenschaftlich aus. „Sie werden sie nicht mitnehmen. Die drei haben nur einander. Es ist nicht recht, sie zu trennen. Sie verdienen zumindest die Chance auf eine bessere Zukunft.“
As’ad sehnte sich nach der geordneten Routine seines Büroalltags. „Lina, bleib du bitte bei den Mädchen.“ Mit einer Kopfbewegung befahl er Kayleen, ihm zu folgen. „Sie kommen mit mir.“
Kayleen blickte Lina verunsichert an, doch diese bedeutete ihr mit einem Nicken, As’ad zu gehorchen. Mit zitternden Knien setzte sie sich in Bewegung und betrat das leere Klassenzimmer, in das As’ad verschwunden war.
Er schloss die Tür hinter ihr und musterte sie forschend. „Also, jetzt mal ganz von vorn. Was war heute hier los?“
Bis zu diesem Moment hatte Kayleen ihn gar nicht richtig wahrgenommen. Jetzt sah sie sich einem dunkelhaarigen, attraktiven Mann mit breiten Schultern gegenüber, der sie weit überragte. Und ihr Herz zum Klopfen brachte … In ihrem Alltag ergaben sich nicht viele Kontakte zu Männern, was ihr nur recht war. „Ich habe unterrichtet“, begann sie. Es fiel ihr plötzlich schwer, ihm in die dunkelbraunen Augen zu schauen … und mindestens genauso schwer, den Blick abzuwenden. „Pepper – das ist die Jüngste der drei – platzte aufgeregt ins Klassenzimmer und behauptete, ein böser Mann wolle sie mitnehmen.
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