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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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Giulietta so grob am Handgelenk, dass er ihr fast den Knochen brach, und nahm den Ring an ihrem Finger in Augenschein. Als er genug gesehen hatte, stieß er sie in die Arme einer Wache und trat vor, um Romeo hart in den Magen zu treten. »Ihr hinterhältiger Dieb!«, schrie er und spuckte dabei voller Abscheu, »das konntet Ihr Euch wohl nicht verkneifen, oder? Doch eines sollt Ihr wissen: Durch Eure Umarmung habt Ihr die Dame dem Tode geweiht! Eigentlich wollte ich nur Euch töten, doch wie ich nun sehe, ist sie genauso wertlos wie Ihr!«
    »Ich flehe Euch an!«, stöhnte Romeo, während er verzweifelt versuchte, den Kopf vom Boden abzuheben und Giulietta ein letztes Mal zu sehen. »Lasst sie leben! Es war nur ein Schwur! Ich habe nie bei ihr gelegen! Bitte! Ich schwöre es bei meiner Seele!«
    »Wie rührend«, bemerkte Salimbeni, während sein Blick von ihm zu ihr wanderte. »Was sagst du, Mädchen ...« - er legte die Hand unter Giuliettas Kinn - »spricht er die Wahrheit?«
    »Zum Teufel mit Euch!«, stieß sie hervor und versuchte gleichzeitig, seine Hand abzuschütteln. »Wir sind Mann und Frau, und deswegen solltet Ihr mich lieber töten, denn ebenso, wie ich mit ihm auf unserem Hochzeitsbette lag, werde ich auch mit ihm in unserem Grabe liegen!«
    Salimbenis Griff wurde noch fester. »Tatsächlich? Schwörst auch du das bei seiner Seele? Doch bedenke: Solltest du lügen, wird er noch heute Nacht in der Hölle schmoren!«
    Giulietta blickte zu Romeo hinunter, der so elend vor ihr auf dem Boden lag. Ihre Verzweiflung über all das ließ die Worte in ihrem Hals ersterben.
    »Ha!« Triumphierend baute sich Salimbeni vor ihnen beiden auf. »Diese Blume hast du also nicht gepflückt, du Hund!« Er trat ein weiteres Mal nach Romeo, sichtlich befriedigt über das Stöhnen seines Opfers und die Tränen der Frau, die ihn schluchzend anflehte aufzuhören. »Dann wollen wir mal dafür sorgen ...« - mit diesen Worten griff er in seine Cotehardie, holte Romeos Dolch hervor und zog ihn aus der Scheide -, »dass Ihr auch keine weiteren mehr pflückt.«
    Mit einer langsamen, nachlässigen Bewegung stieß Salimbeni den Adlerdolch in den Bauch seines Besitzers und zog ihn anschließend wieder heraus. Der junge Mann rang vor Schmerz nach Luft, sein ganzer Körper krümmte sich rund um die grauenhafte Wunde.
    »Nein!«, schrie Giulietta. Ihre Panik verlieh ihr solche Kräfte, dass die Männer sie nicht halten konnten. Verzweifelt warf sie sich neben Romeo und schlang die Arme um ihn, damit er sie dorthin mitnahm, wo er hinging, statt sie zurückzulassen.
    Aber Salimbeni hatte genug von ihrem Theater und zog sie an den Haaren von Romeo weg. »Still jetzt!«, bellte er und schlug ihr ins Gesicht, bis sie gehorchte. »Fasse dich, und vergiss nicht, dass du eine Tolomei bist.« Ehe sie begriff, was er vorhatte, zog er ihr den Siegelring vom Finger und schleuderte ihn zu Romeo auf den Boden. »Mit ihm sterben auch eure Schwüre. Seid froh, dass sie sich so leicht lösen lassen!«
    Durch den Schleier ihres blutigen Haars sah Giulietta, wie die Wachen Romeo hochhoben und die Treppe zum Tolomei-Grab hinunterwarfen wie einen Sack Getreide in einen Lagerraum. Allerdings sah sie die Männer weder die Tür hinter ihm zuschlagen noch sicherstellen, dass das Schloss richtig eingerastet war. Vor lauter Entsetzen hatte Giulietta vergessen, wie man atmete, so dass schließlich ein gnädiger Engel dafür sorgte, dass sie in die Arme einer tröstenden Ohnmacht sank.
     

V.II
    In Laster wandelt sich selbst Tugend, falsch geübt,
    Wie Ausführung auch wohl dem Laster Würde gibt
     
    Aus der Höhe des Mangia-Turms betrachtet sah der halb-mondförmige Campo aus wie ein ausgebreitetes Kartenspiel mit der Bildseite nach unten. Sehr passend für eine Stadt mit so vielen Geheimnissen, fand ich. Wer hätte gedacht, dass Männer wie der teuflische Messer Salimbeni an einem so schönen Ort gedeihen konnten - beziehungsweise, dass man ihn dort hatte gedeihen lassen?
    Nichts in Maestro Ambrogios Tagebuch deutete darauf hin, dass der mittelalterliche Salimbeni auch positive Eigenschaften wie beispielsweise die Großzügigkeit Eva Marias oder den Charme Alessandros besessen hatte, und wenn doch, dann änderte das nichts an der Tatsache, dass er - mit Ausnahme von Bruder Lorenzo und Giuliettas Schwester Giannozza - alle von ihr geliebten Menschen brutal ermordet hatte.
    Dank der im Tagebuch beschriebenen Schrecken verbrachte ich den Großteil der Nacht in

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