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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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hatte. Nachdem das mal klargestellt war, lag es allerdings an mir, mir zu holen, was mir zustand. Das einzige Problem war, dass er mir nie sagte, wie.
    Wie es schien, suchte ich schon mein ganzes Leben lang hechelnd und mit eingezogenem Schwanz nach Chancen, die Janice mir nicht wieder irgendwie wegschnappen oder verderben konnte, doch egal, wo ich meine Schätze vergrub, sie schaffte es stets, sie mit ihrer Spürnase zu erschnüffeln und dann so zuzurichten, dass sie nicht mehr zu erkennen waren. Als ich mir damals meine neuen Satin-Ballettschuhe für die Schlussaufführung aufsparte, musste ich beim Offnen der Schachtel feststellen, dass Janice sie anprobiert hatte und die Bänder völlig verheddert waren, und nachdem ich im Kunstunterricht Wochen damit zugebracht hatte, eine schöne Collage aus lauter Eiskunstläufern anzufertigen, verschandelte Janice sie gleich am ersten Tag, als ich sie nach Hause brachte, indem sie einen ausgeschnittenen Bibo aus der Sesamstraße mitten hineinklebte.
    Ich konnte noch so weit laufen oder mich in noch so viel Mist wälzen, um zu verhindern, dass sie meine Witterung aufnahm, sie kam doch jedes Mal mit hängender Zunge angerannt, um dann verspielt und mit Schalk in den Augen um mich herumzutollen und eine dampfende Nummer zwei mitten auf meinem Weg zu hinterlassen.
    Während ich nun dort oben auf dem Mangia-Turm stand, brach das alles in geballter Ladung über mich herein - die unzähligen Gründe, warum ich Janice hasste. Es war, als hätte jemand in meinem Kopf eine Diashow aus lauter schlimmen Erinnerungen in Gang gesetzt. In mir stieg eine Welle der Wut hoch, wie ich sie noch gegenüber keinem anderen Menschen empfunden hatte.
    »Überraschung!«, rief sie jetzt, während sie Lederkombi und Helm fallen ließ und die Arme ausbreitete, um meinen Applaus entgegenzunehmen.
    »Was zum Teufel hast du hier zu suchen?«, stieß ich schließlich hervor. Meine Stimme zitterte vor Wut. »Warst etwa du mein irrer Verfolger auf dem Motorrad? Und der Brief ...« Ich holte die handgeschriebene Nachricht aus meiner Tasche, knüllte sie zusammen und schleuderte sie ihr entgegen. »Für wie dumm hältst du mich eigentlich?«
    Janice, die meine Wut sichtlich genoss, grinste selbstzufrieden. »Für dumm genug, auf diesen dämlichen Turm zu klettern! ... Oh!« Sie zog eine Grimasse geheuchelten Mitgefühls, die sie sich schon im Alter von fünf Jahren hatte patentieren lassen. »Verstehe! Du hast allen Ernstes geglaubt, wich win Womeo?«
    »Schön«, versuchte ich ihr Lachen zu übertönen, »du hast deinen Spaß gehabt. Aber jetzt musst du mich entschuldigen, ich würde wirklich gerne bleiben, aber noch lieber stecke ich meinen Kopf in ein Bidet.«
    Als ich um sie herumgehen wollte, um zur Treppe zu gelangen, wich sie sofort zurück und versperrte mir den Weg. »O nein, du gehst jetzt nicht!«, zischte sie, wobei ihre Miene von heiter auf stürmisch wechselte. »Nicht, bevor du meinen Anteil herausrückst!«
    Ich starrte sie verblüfft an. »Wie bitte?«
    »Tu nicht so blöd!«, antwortete sie mit seltsam glänzenden Augen. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich gesagt, dass sie versuchte, zur Abwechslung mal die arme Benachteiligte zu spielen. »Ich bin pleite. Bankrott.«
    »Dann ruf doch die Hotline für Millionäre an, da helfen sie dir bestimmt weiter«, konterte ich und fiel damit sofort in unser altes Verhaltensmuster zurück. »Hast du nicht erst kürzlich ein Vermögen geerbt? Von einer Person, die wir beide kennen?«
    »O ja, haha!« Janice rang sich ein Lächeln ab. »Das war wirklich der Knüller. Die gute alte Tante Rose und all ihre Reichtümer.«
    »Ich habe keine Ahnung«, entgegnete ich kopfschüttelnd, »worüber du dich beschwerst. Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, hattest du gerade im Lotto gewonnen. Wenn es dir um noch mehr Geld geht, bin ich wirklich die Letzte, die du fragen solltest.« Ich unternahm einen weiteren Vorstoß in Richtung Tür, dieses Mal fest entschlossen, mich nicht mehr aufhalten zu lassen. »Geh - mir - aus - dem - Weg!«, zischte ich. Erstaunlicherweise tat sie, wie ihr geheißen.
    »Wirklich süß!«, höhnte sie, während ich mich an ihr vorbeischob. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich den Ausdruck in ihren Augen womöglich für Neid gehalten. »Die kleine Prinzessin auf der Flucht. Wie viel von meinem Erbe hast du für Kleider verjubelt?«
    Während ich einfach weiterging, ohne ihr eine Antwort zu geben, hörte ich sie die

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