Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
Vom Netzwerk:
Florenz mag es jetzt ja zehn Uhr Vormittag sein ...«
    Pflichtbewusst schüttete ich den Inhalt meines Glases hinunter. Ein derart übles Gesöff hatte ich nicht mehr getrunken, seit Janice damals auf die Idee verfallen war, in ihrem Schlafzimmerschrank Bier zu brauen. Nachdem ich es anschließend auch noch fertigbrachte, Malèna wegen dieser Köstlichkeit ein Kompliment zu machen, fand ich, dass ich mir damit das Recht verdient hatte, ihr die entscheidende Frage zu stellen: »Sind Sie mit jemandem namens Romeo Marescotti verwandt?«
    Sobald meine Frage richtig zu ihr durchgedrungen war, machte Malèna eine fast unheimliche Wandlung durch: Eben noch meine beste Freundin, die sich auf die Theke gestützt meine Sorgen anhörte, richtete sie sich mit einem tiefen, keuchenden Atemzug kerzengerade auf und korkte die Flasche brüsk wieder zu. »Romeo Marescotti«, erklärte sie, während sie mir mein leeres Glas entriss und ein Geschirrtuch wie einen Peitschenhieb über die Theke fegen ließ, »ist tot.« Erst dann blickte sie mir in die Augen. Wo eben noch Freundlichkeit gewesen war, sah ich nur noch Schmerz und Argwohn. »Er war mein Cousin. Warum wollen Sie das wissen?«
    »Oh!« Die Enttäuschung traf mich so schwer, dass mir fast ein wenig schwindelig davon wurde. Oder es lag an dem Getränk. »Bitte entschuldigen Sie. Ich hätte Sie das nicht fragen sollen ...« Mir ging durch den Kopf, dass nun bestimmt nicht der richtige Zeitpunkt war, um ihr zu erzählen, dass mein Cousin Peppo den Verdacht geäußert hatte, Romeo könnte für den Einbruch ins Museum verantwortlich sein. »Es ist nur so, dass Maestro Lippi, der Künstler ... Er hat mir erzählt, dass er ihn gekannt hat.«
    Malèna schnaubte verächtlich, wirkte aber zumindest ein wenig erleichtert. »Maestro Lippi«, flüsterte sie, wobei sie einen Finger um ihr Ohr kreisen ließ, »spricht mit Geistern. Hören Sie nicht auf ihn. Er ist ...« Sie suchte nach einem passenden Wort, doch ihr fiel keines ein.
    »Da ist noch jemand«, erklärte ich, nachdem ich zu dem Schluss gekommen war, dass ich ohnehin nicht mehr viel kaputtmachen konnte. »Der Sicherheitschef von Monte dei Paschi. Alessandro Santini. Kennen Sie ihn?«
    Für einen Moment riss Malèna überrascht die Augen auf, kniff sie aber gleich wieder argwöhnisch zusammen. »Siena ist ein Dorf.« Die Art, wie sie das sagte, verriet mir, dass irgendwo in dieser ganzen Geschichte eine stinkende Ratte begraben lag.
    »Warum«, fuhr ich in ruhigerem Ton fort und hoffte, durch meine Fragen nicht weitere alte Wunden aufzureißen, »kommt jemand auf die Idee, zu behaupten, Ihr Cousin Romeo sei noch am Leben?«
    »Hat er das behauptet?« Malèna musterte mich eindringlich. Dabei wirkte sie eher ungläubig als traurig.
    »Es ist eine ziemlich lange Geschichte«, antwortete ich, »aber letztendlich war ich diejenige, die sich nach Romeo erkundigt hat. Weil ich nämlich ... Giulietta Tolomei bin.«
    Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie sofort verstehen würde, was mein Name in Kombination mit dem von Romeo bedeutete, doch ihre schockierte Miene sagte mir, dass sie genau wusste, wer ich war, Abstammung und all das inbegriffen. Nachdem sie diesen Hammer erst mal verdaut hatte, reagierte sie sehr süß: Sie streckte den Arm aus und kniff mir in die Nase.
    »II gran disegno«, murmelte sie. »Ich hatte gleich das Gefühl, dass du nicht ohne Grund zu mir gekommen bist. Ich darf doch jetzt du zu dir sagen, oder?« Sie legte eine kurze Pause ein, als hätte sie am liebsten noch etwas hinzugefügt, das sie sich aber leider verkneifen musste. Stattdessen meinte sie mit einem mitfühlenden Lächeln: »Ich wünschte, ich könnte dir sagen, dass er noch lebt, aber ... das kann ich nicht.«
     
    Beim Verlassen der Espressobar dachte ich überhaupt nicht mehr an Janice. Es war daher eine ziemlich böse Überraschung für mich, dass sie mich draußen bereits erwartete - lässig an die Wand gelehnt wie ein Cowgirl, das sich die Zeit vertreiben musste, bis endlich der Saloon aufmachte.
    Als ich sie dort stehen und triumphierend grinsen sah, weil es ihr mal wieder gelungen war, mich aufzuspüren, fiel mir alles wieder ein: Motorrad, Brief, Turm, Streit. Mit einem lauten Seufzer wandte ich mich in die andere Richtung. Wohin ich ging, war mir eigentlich egal, Hauptsache, sie folgte mir nicht.
    »Was hast du denn mit der schicken Mutti da drin am Laufen?« Janice hatte es so eilig, mich einzuholen, dass sie fast über die eigenen Füße

Weitere Kostenlose Bücher