Julia
vor Freude völlig aus dem Häuschen, so dass der Comandante gegen seinen Willen lachen musste.
»Ihr seid Comandante Marescotti?«, rief die Frau, die in ihrer Aufregung ganz rote Wangen bekam. »Dann hat es also doch gestimmt! Oh, das arme Mädchen! Ich habe ihr nie ...« Monna Lappa sprach den Satz nicht zu Ende. Sie war noch immer so überrascht, dass sie nicht recht wusste, wie sie sich verhalten sollte. Schließlich packte sie Romanino an der Schulter und schob ihn dem Comandante entgegen. »Geh! Geh, du dummer Junge! Und ... und vergiss nicht, dem Herrgott zu danken!«
Das brauchte sie nicht zweimal zu sagen. Ehe der Comandante es sich versah, hatte Romanino bereits die Arme um seine Taille geschlungen, und eine kleine Rotznase grub sich in bestickten Samt.
»Komm«, sagte er, während er das schmutzige Haar des Jungen tätschelte, »wir müssen ein Paar Schuhe für dich auftreiben, und noch so allerlei anderes. Also hör zu weinen auf.«
»Ich weiß«, schniefte der Junge und wischte sich die Freudentränen aus dem Gesicht, »Ritter weinen nicht.«
»Selbstverständlich weinen sie«, entgegnete der Comandante, während er den Jungen an der Hand nahm, »aber erst, wenn sie sauber gewaschen und angezogen sind und Schuhe tragen. Glaubst du, du kannst noch so lange warten?«
»Ich werde es versuchen.«
Als sie kurz darauf Hand in Hand die Straße entlanggingen, musste der Comandante gegen einen Anflug von Scham ankämpfen. Wie war es möglich, dass ein Mann wie er, der sich vor Kummer eben noch ganz krank gefühlt hatte und mit Ausnahme seines eigenen Herzschlags alles verloren hatte, was ihm lieb und teuer war, plötzlich so viel Trost darin finden konnte, eine kleine, klebrige Faust in der seinen zu spüren?
Viele Jahre später kam eines Tages ein reisender Mönch in den Palazzo Marescotti und verlangte das Familienoberhaupt zu sprechen. Der Mönch erklärte, er komme aus einem Kloster in Viterbo und sei von seinem Abt beauftragt worden, einen großen Schatz seinem rechtmäßigen Besitzer zurückzubringen.
Romanino, mittlerweile ein erwachsener Mann von dreißig Jahren, ließ den Mönch eintreten und bat seine Töchter, rasch hinaufzulaufen und ihren Urgroßvater, den alten Comandante, zu fragen, ob er sich kräftig genug fühle, um mit dem Besucher zu sprechen. Während sie auf den Comandante warteten, sorgte Romanino dafür, dass der Mönch zu essen und zu trinken hatte, und fragte den Fremden dann voller Neugier, um was für eine Art von Schatz es sich denn handle.
»Über seinen Ursprung weiß ich wenig«, antwortete der Mönch, nachdem er einen Bissen hinuntergeschluckt hatte, »aber ich weiß, dass ich ihn nicht ins Kloster zurückbringen darf.«
»Warum denn nicht?«, wollte Romanino wissen.
»Weil er große zerstörerische Kräfte besitzt«, erklärte der Mönch und nahm sich noch etwas Brot. »Jeder, der das Kästchen aufmacht, wird krank.«
Romanino ließ sich auf seinen Stuhl zurücksinken. »Hattet Ihr nicht gesagt, es sei ein Schatz? Nun erzählt Ihr mir, dass er teuflische Kräfte besitzt!«
»Verzeihung, Messere«, stellte der Mönch richtig, »aber ich habe nie von teuflischen Kräften gesprochen. Ich habe nur gesagt, dass er große Kräfte besitzt. Er kann beschützen, aber auch zerstören, und deswegen muss er zurück in die Hände derer, die diese Kräfte zu beherrschen wissen. Ich soll ihn seinem rechtmäßigen Besitzer zurückgeben. Mehr weiß ich nicht.«
»Und dieser Besitzer ist Comandante Marescotti?«
Wieder nickte der Mönch, auch wenn er diesmal einen weniger überzeugten Eindruck machte. »Zumindest glauben wir das.«
»Denn wenn dem nicht so ist«, stellte Romanino fest, »dann habt Ihr einen Dämon in mein Haus gebracht. Dessen seid Ihr Euch doch bewusst?«
Der Mönch wirkte plötzlich verlegen. »Messere«, erwiderte er mit Nachdruck, »bitte glaubt mir, dass es nicht meine Absicht ist, Euch oder Eurer Familie zu schaden. Ich führe nur aus, was man mir aufgetragen hat. Dieses Kästchen ...« - er griff in seine Tasche, holte eine kleine, sehr schlichte Holzschachtel heraus und stellte sie behutsam auf den Tisch - »wurde uns von den Priestern unserer Kathedrale überreicht, San Lorenzo, und ich glaube - auch wenn ich mir nicht ganz sicher bin -, dass sie die Reliquie eines Heiligen enthält, welche vor nicht allzu langer Zeit von einer vornehmen Dame aus Siena nach Viterbo geschickt wurde.«
»Ich habe von keinem solchen Heiligen gehört!«, rief Romanino
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