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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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aus, während er die Schachtel ängstlich beäugte. »Wer war denn die vornehme Dame?«
    Der Mönch faltete respektvoll die Hände. »Die fromme und sittsame Monna Mina aus dem Hause Salimbeni, Messere.«
    »Aha.« Romanino schwieg eine Weile. Natürlich kannte er die Geschichte dieser Dame - wer hatte nicht vom Wahnsinn der jungen Braut und dem angeblichen Fluch an der Kellerwand gehört? -, aber was für ein Heiliger pflegte freundschaftlichen Umgang mit den Salimbenis? »Darf ich fragen, warum Ihr diesen sogenannten Schatz dann nicht ihr zurückbringt?«
    »Oh!« Die Vorstellung schien den Mönch zu entsetzen. »Nein! Der Schatz mag die Salimbenis nicht. Einer meiner armen Mitbrüder, ein geborener Salimbeni, starb im Schlaf, nachdem er die Schachtel berührt hatte ...«
    »Möge Gott Euch verdammen, Mönch!«, bellte Romanino und stand auf. »Nehmt Eure verfluchte Schachtel und verlasst auf der Stelle mein Haus!«
    »Aber er war doch schon einhundertzwei!«, fügte der Mönch hastig hinzu. »Und andere Leute, die den Schatz berührt haben, wurden auf wundersame Weise von langer Krankheit geheilt.«
    In dem Moment betrat Comandante Marescotti in würdevoller Haltung das Esszimmer. Dank eines Stocks ging er immer noch sehr aufrecht. Romanino, der eigentlich vorgehabt hatte, den Mönch mit einem Besen aus dem Haus zu jagen, beruhigte sich wieder und sorgte dafür, dass sein Großvater bequem am Kopfende des Tisches saß, ehe er ihm die Umstände des unerwarteten Besuchs erklärte.
    »Viterbo?« Der Comandante runzelte die Stirn. »Woher kennt man dort meinen Namen?«
    Der Mönch, der sich erhoben hatte, trat verlegen von einem Fuß auf den anderen, weil er nicht recht wusste, ob er stehen bleiben oder sich wieder setzen sollte, und ob die Frage an ihn oder an Romanino gerichtet war. Schließlich stellte er einfach das Holzkästchen vor dem alten Mann auf den Tisch. »Hier ...«, erklärte er, »mir wurde gesagt, das müsse zurück zu seinem rechtmäßigen Besitzer.«
    »Seid vorsichtig, Vater!«, rief Romanino, als der Comandante Anstalten machte, das Kästchen zu öffnen. »Wir wissen nicht, welche Dämonen es enthält.«
    »Nein, mein Sohn«, erwiderte der Comandante, »aber wir werden es gleich herausfinden.«
    Einen Moment lang herrschte angespanntes Schweigen. Der Comandante hob langsam den Deckel von der Schachtel und spähte hinein. Als Romanino sah, dass sein Großvater nicht sofort von Krämpfen geschüttelt zu Boden fiel, trat er näher, um das Ding ebenfalls in Augenschein zu nehmen.
    In dem Kästchen lag ein Fingerring.
    »Ich würde ihn nicht ...«, begann der Mönch, doch Comandante Marescotti hatte den Ring bereits herausgenommen und starrte ihn ungläubig an.
    »Wer, sagt Ihr«, fragte er mit zitternden Fingern, »hat Euch den gegeben?«
    »Mein Abt«, antwortete der Mönch, der voller Angst zurückwich. »Ihm zufolge haben die Männer, die den Ring fanden, den Namen Marescotti geflüstert, ehe sie drei Tage, nachdem sie den Sarg des Heiligen erhalten hatten, an einem gräßlichen Fieber starben.«
    In der Hoffnung, sein Großvater möge den Ring wieder hinlegen, warf Romanino ihm einen flehenden Blick zu, doch der Comandante befand sich gerade in einer anderen Welt. Während er ohne jede Furcht das Adlersiegel des Rings berührte, murmelte er ein altes Familienmotto vor sich hin, Treu durch die Jahrhunderte, das in winzigen Lettern auf die Innenseite des Rings graviert war. »Komm, mein Sohn«, wandte er sich schließlieh an Romanino und streckte den Arm nach ihm aus, »dieser Ring hat deinem Vater gehört. Nun gehört er dir.«
    Romanino wusste nicht, was er tun sollte. Einerseits hätte er seinem Großvater gerne gehorcht. Andererseits fürchtete er sich vor dem Ring und fragte sich, ob er tatsächlich sein rechtmäßiger Besitzer war, selbst wenn er seinem Vater gehört hatte. Als Comandante Marescotti sein Zögern bemerkte, wurde der alte Herr plötzlich von Jähzorn übermannt, und er schrie Romanino an, er sei ein Feigling und solle auf der Stelle den Ring entgegennehmen. Doch genau in dem Moment, als Romanino vortrat, warf ein Schlaganfall den Comandante zurück in seinen Stuhl, so dass der Ring auf dem Boden landete.
    Als der Mönch sah, dass der alte Mann der zerstörerischen Kraft des Ringes zum Opfer gefallen war, brach er vor Entsetzen in lautes Geschrei aus und verließ fluchtartig den Raum. Romanino dagegen warf sich auf seinen Großvater und beschwor dessen Seele, noch in seinem

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