Julia
lassen.
Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, was Großvater Marescotti darauf erwiderte. Er erklärte Diane, dass sie bereits zu viele Fragen gestellt habe, und nachdem er ihr auf jede einzelne eine Antwort gegeben habe, sei es nun an der Zeit, dass sie ein paar von seinen Fragen beantwortete: Von welchem Ring sie denn überhaupt spreche, und warum sie glaube, er wisse etwas darüber?
Diane Tolomei erzählte ihm als Erstes die Geschichte von Romanino und dem Mönch aus Viterbo. Sie informierte ihn darüber, dass ihr Mann sein ganzes Leben lang nach solchen Dingen geforscht habe, und dass er auch derjenige gewesen sei, der im Stadtarchiv die Unterlagen zur Familiengeschichte der Marescottis sowie Romaninos Aufzeichnungen über das Kästchen entdeckte. Zum Glück, fügte sie hinzu, habe Romanino genug gesunden Menschenverstand besessen, den Ring nicht zu tragen, denn er sei nicht sein rechtmäßiger Besitzer gewesen, so dass er ihm unter Umständen großen Schaden hätte zufügen können.
Ehe sie mit ihren Ausführungen fortfahren konnte, kam der Enkelsohn des alten Mannes, ein Junge namens Alessandro, den seine Großeltern jedoch Romeo nannten, an den Tisch, um einen Keks zu stibitzen. Als Diane begriff, dass es sich um Romeo handelte, wurde sie sehr aufgeregt und sagte: »Es ist mir eine große Ehre, dich kennenzulernen, junger Mann. Hier, ich möchte dir jemand ganz Besonderen vorstellen.« Mit diesen Worten zog sie eins von den kleinen Mädchen auf ihren Schoß und verkündete in einem Ton, als präsentierte sie ihm gerade ein Weltwunder: »Das ist Julia.«
Romeo schob den Keks in seine Tasche und warf einen Blick auf die Kleine. »Das glaube ich nicht«, sagte er, »die trägt ja noch Windeln.«
»Nein!« Rasch zog Diane Tolomei das Kleid des kleinen Mädchens hinunter. »Solche gepolsterten Höschen sind zur Zeit modern. Sie ist schon ein großes Mädchen. Nicht wahr, Jules?«
In der Hoffnung, sich davonstehlen zu können, trat Romeo langsam den Rückzug an, doch sein Großvater hielt ihn auf und bat ihn, die kleinen Mädchen mitzunehmen und mit ihnen zu spielen, während die Erwachsenen Kaffee tranken. Zähneknirschend tat der Junge, wie ihm geheißen.
In der Zwischenzeit erzählte Diane Tolomei Großvater Marescotti und seiner Frau von Romeos Ring. Sie erklärte ihnen, dass es sich dabei um seinen Siegelring handle, den er Giulietta Tolomei geschenkt habe, als die beiden sich von ihrem gemeinsamen Freund Bruder Lorenzo heimlich trauen ließen. Deswegen, so behauptete Diane Tolomei, sei die rechtmäßige Erbin des Ringes Giulietta, ihre Tochter. Sie fügte hinzu, der Ring müsse unbedingt gefunden werden, damit der Fluch, der auf den Tolomeis ruhe, endlich ein Ende habe.
Großvater Marescotti fand die Geschichte vor allem deswegen faszinierend, weil Diane Tolomei trotz der Tatsache, dass sie selbst keine Italienerin war, eine solche Leidenschaft für die Ereignisse der Vergangenheit entwickelt hatte. Es erstaunte ihn, wie überzeugt diese moderne junge Frau aus Amerika davon schien, dass auf ihrer Familie ein Fluch lag - noch dazu einer aus dem finsteren Mittelalter - und sie sogar den Tod ihres Mannes darauf zurückführte. Ihm leuchtete durchaus ein, wieso sie so darauf erpicht war, alles in ihrer Macht Stehende zu versuchen, dem Ganzen ein Ende zu setzen, damit ihre Töchter aufwachsen konnten, ohne dass der Fluch ein Leben lang drohend über ihren Köpfen schwebte. Aus irgendeinem Grund glaubte sie wohl, ihren Töchtern drohe dadurch besonders große Gefahr - vielleicht, weil beide Elternteile Tolomeis waren.
Natürlich tat es Großvater Marescotti leid, dass er dieser armen jungen Witwe nicht helfen konnte, aber als er anfing, sich deswegen zu entschuldigen, unterbrach sie ihn. »Nach allem, was Sie mir erzählt haben, Signore«, erklärte sie, »könnte das Kästchen mit dem Ring immer noch in den Bottini unter dem Palazzo Marescotti versteckt sein. Vermutlich hat niemand mehr den Ring berührt, seit Romanino ihn vor mehr als sechshundert Jahren dort hinunterbrachte.«
Großvater Marescotti konnte nicht anders, als sich lachend auf die Schenkel zu klopfen. »Was für eine abenteuerliche Geschichte!«, rief er. »Und selbst wenn das alles stimmt, kann ich mir nicht vorstellen, dass der Ring noch da wäre. Es sei denn, er ist so gut versteckt, dass ihn niemand finden kann. Einschließlich mir.«
Um ihn dazu zu bringen, nach dem Ring zu suchen, stellte Diane ihm in Aussicht, dass sie ihm, sollte
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