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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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können. Weil ihr beide nämlich schneller wart und die Canelloni auch ohne ihr Zutun gestopft habt. Genau wie Romeo und Julia. Tadaaa! Aus dem Ballsaal über den Balkon ins Bett, und das alles innerhalb von fünfzig Seiten. Wolltet ihr beide womöglich ihren Rekord brechen?«
    Sie sah mich voller Begeisterung an. Offenbar erwartete sie, dass ich ihr zur Belohnung den Kopf tätschelte und einen Keks gab, weil sie so ein braves Mädchen gewesen war.
    »Ist es eigentlich menschenmöglich«, stöhnte ich, »noch krasser zu sein als du?«
    Janice grinste mich an, als gäbe es für sie kein größeres Lob. »Wahrscheinlich nicht. Wenn es dich nach Poesie gelüstet, dann kriech doch zurück zu deinem Vogelmann.«
    Ich ließ mich gegen den Türrahmen sinken und schloss die Augen. Auch wenn Janice sich die meiste Zeit unsäglich derb ausdrückte, ließ doch jede ihrer Anspielungen auf Alessandro Szenen der vergangenen Nacht vor meinem geistigen Auge aufblitzen - einige davon schmerzhaft, andere nicht - und mich die gegenwärtige Realität vergessen. Hätte ich meine Schwester jedoch gebeten, damit aufzuhören, dann hätte sie mit ziemlicher Sicherheit das genaue Gegenteil getan, und sei es nur, um mir zu demonstrieren, dass sie immer noch Macht über mich besaß.
    »Ich verstehe nur nicht«, sagte ich, um dieses Kapitel der Geschichte abzuschließen und wieder auf das große Ganze zu sprechen zu kommen, »wozu sie das Fläschchen überhaupt brauchten. Wenn es ihnen wirklich darum ging, dem alten Fluch, der auf den Tolomeis und Salimbenis lag, ein Ende zu setzen, dann durften sie doch auf keinen Fall nur so tun, als würden Romeo und Giulietta die Hochzeitsnacht miteinander verbringen. Meinst du, die haben allen Ernstes geglaubt, sie könnten die Jungfrau Maria hinters Licht führen?«
    Janice zog eine Schnute. »Du hast recht. Das ergibt keinen Sinn.«
    »Wenn ich das richtig sehe«, fuhr ich fort, »war der Einzige, der - außer mir - hinters Licht geführt wurde, Bruder Lorenzo. Besser gesagt wäre er hinters Licht geführt worden, wenn sie das Zeug in dem Fläschchen verwendet hätten.«
    »Aber warum zum Teufel sollten sie Bruder Lorenzo verarschen wollen?« Ratlos warf Janice die Hände in die Luft. »Der ist doch nur ein altes Relikt. Es sei denn ...«, fügte sie mit hochgezogenen Augenbrauen hinzu, »Bruder Lorenzo hat zu irgendetwas Zugang, wozu sie selbst keinen Zugang haben. Es muss sich dabei um etwas sehr Wichtiges handeln. Etwas, an das sie ungedingt herankommen wollen. Wie zum Beispiel?«
    Ich richtete mich kerzengerade auf. »Das Grab von Romeo und Julia?«
    Wir starrten uns an. »Ich glaube«, sagte Janice und nickte dabei bedächtig, »genau da liegt die Verbindung. Als wir an dem Abend bei Maestro Lippi darüber gesprochen haben, fand ich deine Theorie total verrückt. Aber vielleicht hast du recht. Dieses ganze Theater um alte Sünden, die gesühnt werden müssen, hat zu einem gewissen Teil mit dem echten Grab und der echten Statue zu tun. Was hältst du davon: Nachdem die Tolomeis und die Salimbenis gemeinsam dafür gesorgt haben, dass Romeo und Giulietta endlich zusammenkommen, müssen sie das Grab aufsuchen und vor der Statue niederknien?«
    »Aber in dem Fluch hieß es, sie mussten vor der Jungfrau niederknien.«
    »Na und?«, meinte Janice achselzuckend. »Offensichtlich steht die Statue ganz in der Nähe einer Statue der Jungfrau Maria. Das Problem ist, dass sie den genauen Ort nicht kennen. Nur Bruder Lorenzo kennt ihn. Und deswegen brauchen sie ihn.«
    Eine Weile saßen wir schweigend da und spielten das Ganze in Gedanken durch.
    »Ich glaube nicht«, sagte ich schließlich und strich dabei zärtlich über den Cencio, »dass er Bescheid wusste.«
    »Wer?«
    Als ich sie ansah, bekam ich vor Verlegenheit heiße Wangen. »Du weißt schon ... er.«
    »Jules!«, stöhnte Janice. »Hör endlich auf, den Mistkerl zu verteidigen! Immerhin hast du ihn mit Umberto gesehen, und ...« - sie versuchte, die Schärfe aus ihrer Stimme zu nehmen, doch da sie darin keinerlei Übung hatte, gelang es ihr nicht besonders gut - »dann ist er dir auch noch bis zum Tor nachgerannt und hat gesagt, du sollst ihm das Buch geben. Natürlich wusste er Bescheid.«
    »Aber wenn du mit alledem recht hast«, wandte ich ein, weil ich nach wie vor den absurden Drang verspürte, Alessandro zu verteidigen, »dann hätte er sich doch bestimmt an den Plan gehalten und nicht ... du weißt schon.«
    »Körperliche Nähe zu dir

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