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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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ich ja froh, dass du für dein Geld wenigstens etwas bekommen hast.«
    Nachdem wir uns eine Weile den Rücken zugewandt und uns hartnäckig angeschwiegen hatten, stieß sie plötzlich ein lautes Seufzen aus und murmelte dann: »Tante Rose fehlt mir so!«
    Da ich nicht recht wusste, was ich davon halten sollte - solche Gefühlsaufwallungen waren für sie völlig untypisch -, hätte ich beinahe eine zynische Bemerkung darüber gemacht, dass Tante Rose ihr nur deswegen fehlte, weil Tante Rose ihrer, und nicht meiner Meinung gewesen wäre, was meine dämliche Entscheidung betraf, Eva Marias Einladung anzunehmen. Doch stattdessen hörte ich mich sagen: »Ja, mir fehlt sie auch.«
    Damit war unsere Unterhaltung beendet. Kurz darauf merkte ich an ihren immer ruhiger werdenden Atemzügen, dass sie eingeschlafen war. Meinen Gedanken überlassen, wünschte ich mir mehr denn je, ich könnte wie sie einfach die Augen schließen und in einer Haselnussschale davonfliegen, befreit von der Last meines schweren Herzens.
     
    Am nächsten Morgen - besser gesagt am frühen Nachmittag -setzten wir uns draußen auf der bröckelnden Haustreppe in die Sonne und teilten uns eine Flasche Wasser und einen Müsliriegel. Hin und wieder kniffen wir uns gegenseitig in den Arm, um sicherzugehen, dass wir nicht träumten. Janice erzählte von ihren anfänglichen Problemen, dieses Dornröschen von einem Haus überhaupt zu finden. Ohne die Hilfe von ein paar freundlichen Einheimischen, die ihr den Weg wiesen, hätte sie es, versteckt in der Wildnis, die früher einmal eine Zufahrt und ein Vorgarten gewesen war, vermutlich nie entdeckt.
    »Ich habe allein schon eine Ewigkeit gebraucht, um das Tor zu öffnen«, erklärte sie mir. »Es war zugerostet. Ganz zu schweigen von der Tür. Ich fasse es einfach nicht, dass so ein Haus zwanzig Jahre lang komplett leer stehen kann, ohne dass jemand einzieht oder das Grundstück übernimmt.«
    »So ist Italien eben«, antwortete ich. »Was sind schon zwanzig Jahre? Zeit ist hier kein Thema. Wie sollte es auch eines sein, wenn man von lauter unsterblichen Geistern umgeben ist? Wir können von Glück sagen, wenn sie uns eine Weile bleiben und so tun lassen, als gehörten wir hierher.«
    Janice schnaubte verächtlich. »Unsterblich zu sein ist bestimmt zum Kotzen. Deswegen spielen sie ja so gerne mit saftigen kleinen Sterblichen ...« - sie grinste und ließ vielsagend die Zunge über die Oberlippe gleiten - »wie dir.«
    Als sie merkte, dass ich darüber noch immer nicht lachen konnte, veränderte sich ihr Gesichtsausdruck, bis daraus fast schon echtes Mitgefühl sprach.
    »Aber du bist ja noch mal heil davongekommen! Stell dir vor, was passiert wäre, wenn sie dich erwischt hätten. Bestimmt hätten sie dich ... ich weiß auch nicht ...« Selbst Janice fiel es schwer, sich die Schrecken auszumalen, die ich hätte erdulden müssen. »Freu dich einfach, dass deine gute alte Schwester dich rechtzeitig gefunden hat.«
    Angesichts ihrer erwartungsvollen Miene legte ich die Arme um sie und drückte sie voller Dankbarkeit an mich. »Glaub mir, das tue ich! Ich verstehe bloß nicht ... Warum bist du überhaupt gekommen? Das ist doch eine Höllenfahrt von hier bis zum Castello Salimbeni. Warum hast du mich nicht einfach ...«
    Janice sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Soll das ein Witz sein? Diese Mistkerle haben unser Buch gestohlen! Es ist Zeit, dass wir es ihnen heimzahlen! Wärst du nicht gerade angerannt gekommen, weil dir die Sache zu brenzlig wurde, dann wäre ich dort eingebrochen und hätte das ganze verdammte Castello nach dem Buch abgesucht.«
    »Tja, dann ist heute wohl dein Glückstag!« Ich stand auf und ging in die Küche hinein, um meine Reisetasche zu holen. »Voila!« Ich warf sie Janice vor die Füße. »Und nun sag bloß nicht, ich hätte nicht auch für das Team gearbeitet.«
    »Das ist nicht dein Ernst!« Begierig öffnete sie den Reißverschluss und begann in der Tasche herumzuwühlen, zog die Hände aber schon nach wenigen Sekunden angewidert zurück. »Iiieh! Was zum Teufel ist das?«
    Wir starrten beide auf ihre Hände hinunter. Sie waren voller Blut oder etwas sehr ähnlich Aussehendem. »Lieber Himmel, Jules«, keuchte Janice, »hast du jemanden umgebracht? Igitt! Was ist das?« Mit angstvoller Miene roch sie an ihren Händen. »Es ist tatsächlich Blut. Bitte sag mir jetzt nicht, dass es sich um deines handelt, denn wenn es doch so wäre, fahre ich sofort zurück und verarbeite diesen

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