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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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gesucht?«, formulierte Janice ungewohnt prüde.
    »Genau«, antwortete ich mit einem zustimmenden Nicken. »Außerdem hätte er dann auch nicht so überrascht reagiert, als Umberto ihm das Fläschchen gab. Genau genommen hätte er das Fläschchen zu dem Zeitpunkt längst haben müssen.«
    »Nun hör mir mal gut zu, Süße!«, sagte Janice mit einem strengen Blick über einen imaginären Brillenrand. »Er hat dich die ganze Zeit angelogen und ist mehrfach in dein Hotelzimmer eingebrochen, unter anderem, um Moms Buch zu klauen und es anschließend Umberto zu übergeben. Der Typ ist das Letzte. Mag ja sein, dass er alles hat, was ein Mann so braucht, und auch gut damit umzugehen weiß, aber er bleibt trotzdem - entschuldige meine Ausdrucksweise - ein übler Ganove. Und was deine ach so nette Mafiakönigin betrifft ...«
    »Weil wir gerade von Leuten sprechen, die mich anlügen und in mein Hotelzimmer einsteigen«, unterbrach ich sie und sah ihr dabei direkt in die Augen, »warum hast du eigentlich behauptet, er habe mein Hotelzimmer verwüstet, obwohl du das doch selber warst?«
    Janice schnappte nach Luft. »Was?«
    »Du streitest es also ab?«, fragte ich kalt. »Dass du in mein Hotelzimmer eingestiegen bist und es anschließend Alessandro in die Schuhe geschoben hast?«
    »Hey!«, rief sie erbost. »Er ist ebenfalls bei dir eingestiegen! Und ich bin schließlich deine Schwester! Ich habe ein Recht darauf, zu wissen, was vor sich geht ...« Sie verstummte und sah mich verlegen an. »Wie bist du mir auf die Schliche gekommen?«
    »Er hat dich gesehen. Allerdings hat er uns verwechselt und dachte, ich würde von meinem eigenen Balkon klettern.«
    »Er hat uns verwechselt?« Janice sperrte ungläubig den Mund auf. »Jetzt bin ich aber echt beleidigt!«
    »Janice!«, fauchte ich, frustriert, weil sie wieder in ihre alte Gehässigkeit abrutschte und mich mit sich zog. »Warum hast du mich angelogen? Nach allem, was passiert war, hätte ich durchaus Verständnis dafür gehabt, dass du bei mir eingestiegen bist. Für dich sah es ja wirklich so aus, als wollte ich dich um ein Vermögen prellen.«
    »Du verstehst, warum ich es getan habe?« Janice betrachtete mich mit aufkeimender Hoffnung.
    Ich zuckte mit den Achseln. »Warum versuchen wir es zur Abwechslung nicht mal mit Ehrlichkeit?«
    Meine Schwester war bekannt dafür, dass sie sich von jedem Schlag in Windeseile wieder erholte. »Ausgezeichnet«, grinste sie, »dann lass uns doch mal ehrlich sein. Und wenn du nichts dagegen hast...« - sie legte eine Pause ein, in der sie verschmitzt die Augenbrauen auf und ab wippen ließ -, »dann hätte ich gleich noch ein paar Fragen zur vergangenen Nacht.«
     
    Nachdem wir im Dorfladen Lebensmittel eingekauft hatten, verbrachten wir den Rest des Nachmittags damit, das Haus nach vertrauten Dingen aus unserer Kindheit zu durchstöbern. Dabei erwies es sich nicht gerade als hilfreich, dass alles mit Staub und Schimmel bedeckt war, jedes Stück Stoff Löcher hatte, die von irgendwelchen Tieren stammten, und aus jeder noch so kleinen Ritze Mäusedreck quoll. Oben im ersten Stock waren die Spinnweben dick wie Duschvorhänge. Als wir dort die Fensterläden öffneten, um ein bisschen Licht hineinzulassen, fielen mehr als die Hälfte sofort von den Angeln.
    »Oje!«, rief Janice, als ein Fensterladen nur knapp einen Meter neben der Ducati auf die Haustreppe knallte. »Nun ist es wohl an der Zeit, mal mit einem Schreiner auszugehen.«
    »Wie wär's mit einem Klempner?«, schlug ich vor, während ich mir die Spinnweben aus dem Haar zupfte. »Oder einem Elektriker?«
    »Den Klempner übernimmst du«, konterte sie, »schließlich bist du diejenige mit dem Sprung in der Schüssel.«
    Der Höhepunkt kam, als wir in einer Ecke hinter einem Sofa den wackeligen Schachtisch entdeckten.
    »Ich habe es dir doch gesagt!«, meinte Janice, während sie ihn sanft hin und her wackeln ließ, um wirklich ganz sicherzugehen. »Ich hatte die ganze Zeit recht!«
    Bis zum Sonnenuntergang waren wir mit dem Ausmisten so weit fortgeschritten, dass wir beschlossen, unser Lager in einen Raum im ersten Stock zu verlegen, der früher mal als Büro gedient hatte. Während wir uns dort an einem alten Schreibtisch gegenübersaßen und uns bei Kerzenlicht Brot, Käse und Rotwein schmecken ließen, überlegten wir, was wir als Nächstes tun sollten. Obwohl wir beide noch keinerlei Lust verspürten, nach Siena zurückzukehren, war uns gleichzeitig klar, dass die

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