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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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beobachten kann, wenn sie einer langen Schnur von Würsten hinterherblicken.
    Unter Einsatz ihrer Ellbogen kämpften sich die jungen Männer die Straße entlang, sprangen hier über einen Rinnstein, dort über einen Bettler, und duckten sich an großen Lieferkarren oder Sänften vorbei, bis sie am Rand der Piazza Tolomei schließlich feststellen mussten, dass es dort nicht mehr weiterging. Als Romeo den Hals reckte, um herauszufinden, warum die Menge zum Stillstand gekommen war, erhaschte er einen Blick auf eine farbenfrohe Figur, die in der dunklen Nachtluft über den Stufen der Kirche von San Cristoforo hin und her wippte.
    »Seht euch das an«, rief einer seiner Cousins, »Tolomei hat San Cristoforo zum Abendessen eingeladen! Aber er ist nicht anständig gekleidet. Schämen sollte er sich!«
    Alle sahen mit großen Augen zu, wie sich die mit Fackeln beleuchtete Prozession von der Kirche aus über den Platz und dann weiter in Richtung Palazzo Tolomei bewegte. Plötzlich wurde Romeo klar, dass das seine Chance war, das verbotene Haus durch die Vordertür zu betreten, statt wie ein Narr unter dem Fenster Stellung zu beziehen, das er für das von Giulietta hielt. Hinter den Priestern, die den Heiligen trugen, folgte eine lange Reihe selbstgefälliger Menschen mit Karnevalsmasken. Es war allgemein bekannt, dass Messer Tolomei alle paar Monate Maskenbälle abhielt, um auf diese Weise verbannte Verbündete oder gesetzlose Familienmitglieder in sein Haus zu schmuggeln. Anders wäre er wohl auch kaum in der Lage gewesen, die Tanzfläche voll zu bekommen.
    »Zweifellos«, sagte Romeo, während er seine Cousins noch enger um sich scharte, »ist das Glück uns heute hold ! Oder Fortuna steht uns jetzt nur bei, um uns anschließend richtig niederzudrücken, damit sie was zu lachen hat. Kommt!«
    »Wartet!«, rief einer seiner Cousins. »Ich fürchte ...«
    »Du fürchtest zu früh!«, schnitt Romeo ihm das Wort ab. »Auf, auf, ihr wackren Herren!«
    Das Durcheinander auf der Treppe von San Cristoforo war genau das, was Romeo brauchte, um eine Fackel aus einer Pechpfanne zu stibitzen und sich auf seine ahnungslose Beute zu stürzen: eine ältere Witwe, allem Anschein nach ohne Begleiter. »Bitteschön«, bot er ihr seinen Arm an, »Messer Tolomei hat uns gebeten, uns um Euer Wohl zu kümmern.«
    Die Frau wirkte durchaus angetan von seinem vielversprechend muskulösen Arm und dem kühnen Lächeln seiner Kumpane. »Das wäre das erste Mal«, erklärte sie mit einer gewissen Würde, »aber ich muss sagen, dass er es versteht, Versäumtes wiedergutzumachen. «
    Wer es nicht mit eigenen Augen gesehen hatte, hätte es für unmöglich gehalten, doch als Romeo den Palazzo betrat, musste er sich eingestehen, dass es den Tolomeis tatsächlich gelungen war, die Marescottis mit ihren Fresken zu übertreffen. Nicht genug, dass jede einzelne Wand eine andere Geschichte über vergangene Tolomei-Triumphe und gegenwärtige Tolomei-Frömmigkeit erzählte, nein, selbst die Decken der Räume dienten der gottes-fürchtigen Selbstdarstellung. Wäre Romeo allein gewesen, hätte er den Kopf zurückgelegt und neugierig zu den Myriaden exotischer Kreaturen emporgeblickt, die diesen privaten Himmel bevölkerten. Doch er war nicht allein: An jeder Wand standen schwer bewaffnete Wachen in Livree. Aus Angst, entdeckt zu werden, riss er sich am Riemen und machte der Witwe die nötigen Komplimente, während sie sich zum Eröffnungstanz aufstellten.
    Wenn die Frau sich anfangs noch gefragt hatte, was wohl Romeos genaue Stellung war - die beruhigend gute Qualität seiner Kleidung passte nicht so recht zu der verdächtigen Art, wie er sich ihre Gesellschaft erschlichen hatte -, erkannte sie spätestens jetzt an der stolzen Haltung, mit der er sich zum Tanz bereitmachte, dass er von vornehmer Herkunft war.
    »Was für ein Glück ich heute Abend habe«, murmelte sie so leise, dass nur er sie hören konnte. »Aber sagt mir, seid Ihr mit einem bestimmten Anliegen hergekommen, oder nur zum ... Tanzen?«
    »Ich muss gestehen«, antwortete Romeo in einem Ton, der weder zu viel noch zu wenig versprach, »dass ich für mein Leben gern tanze. Ich schwöre Euch, dass ich es stundenlang tun könnte, ohne zu ermatten.«
    Die Frau, mit dieser Antwort vorerst zufrieden, lachte diskret. Im weiteren Verlauf des Tanzes nahm sie sich ihm gegenüber größere Freiheiten heraus, als ihm eigentlich lieb war, indem sie hin und wieder die Hand über sein Samtgewand gleiten ließ, als

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