Julia
anderen Seite fort. Seine Cousins fragten sich zweifellos schon, wo er war und warum er sich nicht blicken ließ, um sich zusammen mit ihnen zu amüsieren. Selbst sein Vater war bereits mehrmals an ihn herangetreten, allerdings nicht mit Fragen, sondern mit Einladungen zur Bogenschützenübung. Mittlerweile lag eine weitere schlaflose Nacht hinter ihm, und der mitfühlende Mond war einmal mehr von der gnadenlosen Sonne verjagt worden. Und Romeo, der immer noch am Tisch saß, fragte sich ein weiteres Mal, ob dies der Tag sein würde.
In dem Moment hörte er draußen vor seiner Tür ein Geräusch auf der Treppe, gefolgt von einem nervösen Klopfen.
»Nein, danke«, brummte er wie etliche Male zuvor, »ich habe keinen Hunger!«
»Messer Romeo? Besuch für Sie!«
Schließlich stand Romeo doch auf. Von den vielen Stunden ohne Bewegung und Schlaf schmerzten seine Muskeln. »Wer ist es denn?«
Auf der anderen Seite der Tür war leises Gemurmel zu hören. »Ein Bruder Lorenzo und ein Bruder Bernardo. Sie sagen, sie hätten wichtige Neuigkeiten und bitten um ein vertrauliches Gespräch.«
Der Name von Bruder Lorenzo - Giuliettas Reisebegleiter, wenn er sich nicht sehr täuschte - veranlasste Romeo dazu, seine Tür zu entriegeln. Draußen auf dem Gang standen ein Bediensteter und zwei Mönche, beide in Kutte und Kapuze, während unten auf dem Hof weitere Diener die Köpfe reckten, um zu sehen, wer es am Ende doch geschafft hatte, den jungen Herrn dazu zu bewegen, seine Tür zu öffnen.
»Kommt herein!« Er ließ beide Mönche eintreten. »Und Stefano ...« - er bedachte den Bediensteten mit einem drohenden Blick -, »mein Vater braucht davon nichts zu erfahren.«
Die beiden Mönche betraten den Raum mit einiger Zurückhaltung. Durch die offene Balkontür fielen ein paar Strahlen der Morgensonne auf Romeos unberührtes Bett. Auf dem Tisch stand, ebenfalls unberührt, ein Teller mit gebratenem Fisch, und daneben lag das Schwert.
»Bitte entschuldigt«, begann Bruder Lorenzo, nachdem er einen Blick zur Tür geworfen hatte, um sich zu vergewissern, dass sie geschlossen war, »dass wir Euch zu dieser Stunde stören, aber wir konnten nicht warten ...«
Weiter kam der Mönch nicht, denn in diesem Moment trat sein Begleiter vor und zog die Kapuze seiner Kutte zurück. Zum Vorschein kam eine aufwendige Flechtfrisur. Nicht ein Mönchsbruder hatte Bruder Lorenzo an diesem Morgen zum Palazzo Marescotti begleitet, sondern Giulietta selbst - trotz der Verkleidung schöner denn je. Ihre Wangen glühten vor Aufregung.
»Bitte sagt mir«, stieß sie hervor, »dass Ihr die Tat noch nicht ... begangen habt?«
Obwohl Romeo wegen ihres plötzlichen Erscheinens aufgeregt und erstaunt war, wandte er nun verlegen den Kopf ab. »Das habe ich nicht.«
»Oh, dem Himmel sei Dank!« Erleichtert faltete sie die Hände. »Denn ich bin gekommen, um mich zu entschuldigen, und bitte Euch, zu vergessen, dass ich jemals etwas so Schreckliches von Euch verlangt habe.«
Romeo fuhr zusammen. Eine leise Hoffnung keimte in ihm auf. »Ihr wollt nicht mehr, dass er stirbt?«
Giulietta runzelte die Stirn. »Ich wünsche mir seinen Tod mit jeder Faser meines Herzens. Aber nicht auf Eure Kosten. Es war falsch und sehr selbstsüchtig von mir, Euch zur Geisel meines eigenen Kummers zu machen. Könnt Ihr mir verzeihen?« Sie sah ihm tief in die Augen. Als er nicht gleich antwortete, begann ihre Unterlippe leicht zu zittern. »Ich bitte Euch, verzeiht mir.«
Zum ersten Mal seit Tagen lächelte Romeo. »Nein.«
»Nein?« Plötzlich schienen Gewitterwolken ihre blauen Augen zu verdunkeln, und sie trat einen Schritt zurück. »Das ist sehr unhöflich von Euch!«
»Nein«, neckte Romeo sie weiter, »ich verzeihe Euch nicht, denn Ihr habt mir eine große Belohnung versprochen, und nun brecht Ihr Euer Wort.«
Giulietta schnappte nach Luft. »Das tue ich nicht! Ich rette Euch das Leben!«
»Oh! Nun beleidigt Ihr mich auch noch!« Romeo presste eine Faust ans Herz. »Wie könnt Ihr nur andeuten, dass ich dieses Duell nicht überleben würde - Frau! Ihr spielt mit meiner Ehre wie eine Katze mit der Maus! Beißt ruhig ein weiteres Mal zu und erfreut Euch daran, wie die arme Maus humpelnd zu entkommen versucht!«
»Ach, Ihr!« Giulietta kniff misstrauisch die Augen zusammen. »In Wirklichkeit spielt Ihr mit miri Wie Ihr sehr genau wisst, habe ich keineswegs gesagt, dass Ihr durch Salimbenis Hand sterben würdet. Aber man würde Euch für den Mord zur Rechenschaft
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