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Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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Gedanke mich schaudern macht. Schwöre mir, mein trauter Freund, nicht bei der Liebe, Schwur, den man nur hält, wenn er überflüssig ist, nein, bei dem heiligen Namen der Ehre, den du so theuer hältst, daß ich immer und unablässig die Vertraute deines Herzens bleiben soll und daß es keinen Wechsel je erlebe, den ich nicht zuerst erführe. Führe mir nicht an, daß du mir nie etwas wirst zu entdecken haben; ich glaube es, ich hoffe es; aber komm meiner thörichten Angst zuvor und gieb mir in dem Versprechen für Künftiges, das nicht kommen soll, die ewige Gewißheit der Gegenwart. Ich würde weniger zu beklagen sein, wenn ich mein wirkliches Unglück von dir erführe, als wenn ich unaufhörlich mich mit eingebildetem quälte; ich würde wenigstens deiner Reue genießen; wenn du nicht mehr meine Glut theiltest, würdest du doch noch meine Schmerzen theilen, und ich würde die Thränen weniger bitter finden, die ich in deinen Busen vergösse.
    Hier, mein Freund, wünsche ich mir zwiefach Glück zu meiner Wahl, des süßen Bandes wegen, das uns verknüpft, und der Rechtschaffenheit wegen, die es sichert. Dies ist die Anwendung jener Klugheitsregel auf Sachen des reinen Gefühls; so kann der zärtlichen Liebe die strenge Tugend das Leid verscheuchen. Hätte ich einen Geliebten ohne feste Grundsätze, und wenn er mich auch ewig liebte, worin sollte ich die Bürgschaft seiner Beständigkeit finden? Welche Mittel hätte ich, mich von meinem steten Mißtrauen zu befreien? Und woher die Gewißheit nehmen, daß ich nicht getäuscht bin. entweder durch seine Schlauheit oder durch meine Leichtgläubigkeit? Aber du, mein würdiger,ehrenwerther Freund, keines Kunstgriffs, keiner Verstellung fähig, du, ich weiß es, wirst mir deine Aufrichtigkeit erhalten, wenn du sie mir versprochen hast. Die Scham, eine Untreue zu gestehen, wird in deiner geraden Seele nicht den Sieg davontragen über die Pflicht, dein Wort zu erfüllen, und wenn du deine Julie nicht mehr lieben könntest, würdest du ihr sagen, ja, du könntest ihr sagen: Julie, ich kann dich nicht .... nein, mein Freund, nie schreibe ich dieses Wort hin.
    Was sagst du zu meinem Mittel? Es ist das einzige, das weiß ich gewiß, das in mir jedes Gefühl von Eifersucht ausrotten könnte. Ich finde, ich weiß nicht was für eine Zartheit darin, die mich bezaubert, daß ich mich wegen deiner Liebe auf deine Gewissenhaftigkeit verlasse, und mir die Macht nehme, an eine Untreue zu glauben, die du mir nicht selbst sagen würdest. Dies ist, du Lieber, die sichere Wirkung des Versprechens, das du mir geben sollst; denn ich könnte dich wohl für einen flatterhaften Geliebten, aber nie für einen falschen Freund halten, und wenn ich an deinem Herzen zweifelte, nie werde ich an deinem Worte zweifeln. Was für ein Vergnügen es mir macht, hierin eine unnöthige Vorkehrung zu treffen, dem Scheine einer Umwandlung vorzubeugen, deren Unmöglichkeit ich so wohl fühle! Welcher Reiz, von Eifersucht mit einem so treuen Geliebten zu sprechen! Ach! wenn du aufhören konntest, es zu sein, dann, glaube mir, würde ich nicht so mit dir darüber reden. Mein armes Herz würde im Nothfalle nicht so weise sein, und das kleinste Mißtrauen würde mir bald den Willen rauben, mich davor sicher zu stellen.
    Da haben wir, sehr verehrter Lehrer, Stoff zum Gespräche für heut Abend, denn ich weiß, daß Ihre beiden unterthänigen Schülerinen die Ehre haben werden, mit Ihnen zusammen bei dem Vater der Unzertrennlichen zu soupiren. Durch Ihre gelehrten Vorlesungen über die Zeitung haben Sie dergestalt Gnade gefunden in seinen Augen, daß es nicht viel Mühe gemacht hat, Ihnen diese Einladung zu verschaffen. Die Tochter hat ihr Klavier stimmen lassen; der Vater hat den Lamberti durchgeblättert; ich werde vielleicht die Lection aus jenem Gebüsche von Clarens repetiren. O Doctor aller Facultäten, nach jeder Seite hin sind Sie mit irgend einer Wissenschaft gerüstet. Herr von Orbe, der nicht vergessen ist, wie Sie denken können, hat die Mission, einen gelehrten Disput anzuspinnen über die bevorstehende Huldigung des Königs von Neapel, während dessen wir Dreie uns in das Zimmer der Cousine verfügen werden. Dort, Vielgetreuer, werdet Ihr auf den Knien vor Eurer Dame und Gebieterin, die beiden Hände in den ihrigen und in Gegenwart ihres Kanzlers, ihr unverbrüchliche Treue und Redlichkeit geloben; nicht sei gesagt ewige Liebe, denn es wäre ein Gelöbniß, das zu halten oder zu brechen man nicht in

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