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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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jeweiligen Bankgebäude benötigte. Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie sind der Angestellte eines Juweliers, sitzen in einem geschlossenen Wagen mit verhängten Fenstern und sollen eine etwa unterarmlange Kassette bewachen, die neben Ihnen auf dem Polster liegt. Plötzlich hören Sie von draußen Lärm. Vielleicht wird sogar gegen den Wagenkasten geklopft. Was tun Sie da?«
    »Ich fasse nach der Schmuckkassette und halte sie fest«, antwortete Fridolin.
    »Ein löblicher Vorsatz. Doch den führen Sie nur aus, wenn Sie gewarnt worden sind. Ist das jedoch nicht der Fall, werden Sie den Vorhang des Fensters beiseiteschieben und nachsehen, was draußen los ist. Spricht Sie dabei auch noch jemand an, hat jene Person, die mit Ihnen im Wagen sitzt, alle Zeit der Welt, die Kassette mit dem echten Schmuck gegen ein gleich aussehendes Kästchen mit den Falsifikaten auszutauschen!«
    Diese Argumentation leuchtete Fridolin ein, und er dachte zum ersten Mal, dass Grünfelder mit Maruhn vielleicht doch den richtigen Mann mit der Suche nach dem Schmuck beauftragt hatte.

XIII.
    D a Maruhn während der interessanten Gespräche die Bitterkeit ablegte, die ihn seit seiner Verabschiedung aus dem Staatsdienst befallen hatte, verlief der Rest der Reise sehr angenehm. Die drei Herren fanden genug Themen, über die sie sich unterhalten konnten, und Maruhns Eindruck verfestigte sich, dass Graf Trettin sich in positiver Weise von anderen Herren von Adel unterschied, die Menschen niedrigeren Standes eher als dressierte Affen ansahen. Auch Fridolin fasste immer mehr Zutrauen zu Maruhns Fähigkeiten. Offensichtlich machte der Detektiv seine körperlichen Einschränkungen durch die Beweglichkeit seines Geistes wett.
    Als der Schaffner erschien und als nächste Station Eystrup ankündigte, wandte Fridolin sich lächelnd an Maruhn.
    »Fahren Sie doch mit uns bis Steenbrook! Komtess Nathalia wird Ihnen gewiss Gastfreundschaft gewähren. Wir könnten dann gemeinsam den Umtrieben des betrügerischen Barons nachspüren.«
    »Das«, antwortete Maruhn nach einem kurzen Zögern, »halte ich für keine gute Idee. Zum einen befindet sich Gut Steenbrook gut zwanzig Kilometer von Klingenfeld entfernt. Die Leute werden deshalb nicht viel über den Baron wissen. Zum anderen haben Sie gewiss familiäre Pflichten, die Sie in Anspruch nehmen werden, und in dieser Zeit müsste ich entweder auf Sie warten oder allein umherstreifen. Sie werden daher erlauben, dass ich hier aussteige und mich in einem Dorfkrug in der Nähe von Klingenfeld einquartiere. Dort werde ich gewiss mehr über Baron Anno erfahren.«
    Obwohl Fridolin sich gerne länger mit Maruhn unterhalten hätte, gab er dem Mann recht. »Es wird wohl besser so sein. Aber melden Sie sich bitte sofort bei mir, wenn Sie Unterstützung brauchen.«
    »Das mache ich«, versprach Maruhn und dachte zugleich, dass er ein schlechter Detektiv wäre, wenn es ihm nicht gelingen würde, auf eigene Faust vorwärtszukommen.
    Kurz darauf kündigte das Pfeifen der Lokomotive das Nahen des Bahnhofs an. Maruhn stand auf und wollte sich verabschieden, da streckte Fridolin ihm die Hand hin. »Auf Wiedersehen und viel Erfolg!«
    »Danke, Herr Graf. Das kann ich gebrauchen!« Maruhn erwiderte den Händedruck und verließ das Abteil.
    Kurz bevor sie den Bahnhof Verden erreichten, erschien Kowalczyk und erklärte, dass er sich des Gepäcks annähme.
    »Tun Sie das!« Fridolin nickte seinem Kammerdiener zu und stellte sich ans Fenster. Wenig später hielt der Zug, und er sah Lore auf dem Bahnsteig stehen. So schnell wie diesmal war er wohl noch nie aus einem Zug ausgestiegen. Lachend und winkend eilte er auf seine Frau zu.
    Diese kam ihm strahlend entgegen. »Endlich! Wir haben schon so auf euch gewartet. Sind Mary und ihre Kinder auch dabei?«
    Konrad hob in einer bedauernden Geste die Arme. »Sie kommen in drei Tagen nach! Da gibt es noch ein Kleid für eine hochgestellte Dame, das unbedingt fertiggestellt werden muss, und Mary will diese Aufgabe nicht ihren Näherinnen überlassen.«
    »Das verstehe ich. Aber nun kommt! Wollt ihr noch eine Konditorei oder ein Restaurant aufsuchen, oder können wir gleich nach Steenbrook fahren?«
    »Ich glaube, auf Steenbrook bekommen wir alles, was wir uns wünschen, meinst du nicht auch, Konrad?«
    »Aber natürlich! Die Köchin dort ist vortrefflich! Ich habe bei meinem Aufenthalt im letzten Jahr mindestens sechs Pfund zugenommen und musste anschließend meine Hosen weiter machen

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