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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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nichts anderem mehr geredet hat. Nun fürchte ich, dass die beiden Jungen sich darum streiten werden.«
    »Sie werden sich das Pferdchen teilen müssen, und das wird für beide eine gute Lehre in Disziplin sein. Keine Sorge, Komtess, die beiden bringe ich schon zum Parieren!« Da sie Konrad kannten, wussten Lore und Nathalia, dass er weniger Gewalt als Überredungskünste anwenden würde.
    Lore atmete auf, doch Nathalia hatte noch etwas auszusetzen. »Mein lieber Konrad, sollte es dir entgangen sein, dass du zu der kleinen Gruppe auserlesener Freunde gehörst, denen das Privileg vergönnt ist, mich nicht nur ihre Freundin zu nennen, sondern mich auch mit du ansprechen zu können?«
    »Nein! Aber in der Öffentlichkeit …« Konrad versuchte sich zu verteidigen, doch gegen Nathalia kam er nicht an.
    »Gerade in der Öffentlichkeit ist es wichtig, Flagge zu zeigen, wie Prinz Wilhelm zu sagen pflegt. Also wage es nicht, mich weiterhin Komtess zu nennen. Ansonsten vergesse ich meine ganze Erziehung und nenne dich vor allen Leuten ›alter Seebär‹ oder, noch besser, ›alter Pirat‹!«
    Bei dem Wort Pirat ruckte Wolfis Kopf herum. »Ich will auch Pirat werden!«, rief er und schwang seine Hand, als hielte er einen Entersäbel in der Hand.
    »Na ja, immer noch besser als Wespenjäger«, erklärte Fridolin trocken und hatte die Lacher auf seiner Seite.

XIV.
    W ährend Fridolin ein großer Empfang bereitet wurde, fand Dirk Maruhn sich in fast völliger Einsamkeit wieder. Auf dem Vorplatz des Bahnhofes gab es weder eine Droschke noch ein anderes Fuhrwerk, und bis zu dem Dorf, in dessen Nähe Gut Klingenfeld lag, war es eine gute halbe Stunde zu Fuß.
    Ein Junge, der des Weges kam, sprach ihn schließlich an. »Kann ich Ihnen helfen, mein Herr?«
    »Ich benötige eine Möglichkeit, nach Klingenfeld zu kommen«, antwortete Maruhn.
    »Hm, das ist nicht gerade der nächste Weg.« Der Junge rieb sich das Kinn und tat so, als müsse er überlegen. »Also … wenn ich mich recht entsinne, habe ich einen Bauern aus der Nachbarschaft heute Morgen zum Markt fahren sehen. Er wird seine Küken bald verkauft haben. Wenn Sie wollen, laufe ich hin und frage ihn, ob er Sie mit in sein Dorf nimmt.«
    »Das wäre mir sehr angenehm!« Maruhn reichte dem Burschen einen Groschen und sah zu, wie dieser wieselflink davoneilte. Etwa eine halbe Stunde später kam der Junge über das ganze Gesicht grinsend zurück. »Ich habe mit dem Bauern gesprochen. Er hat nur noch zwei Gänseküken. Wenn er die verkauft hat, fährt er nach Hause. Ich soll Sie zu ihm bringen, damit er nicht den Umweg über den Bahnhof machen muss. Keine Angst, ich kann Ihren Koffer tragen. Ich bin nämlich schon sehr kräftig!«
    Das glaubte Maruhn dem Jungen unbenommen. Obwohl dieser nicht älter als zwölf sein konnte, reichte er ihm bereits bis zur Nase und sah so aus, als würde er noch ein ganzes Stück in die Höhe wachsen.
    Daher reichte der Detektiv dem Jungen den Koffer und hinkte, auf seinen Stock gestützt, hinter ihm her, bis sie den Marktplatz erreichten. Die meisten Verkaufsstände waren bereits abgebaut, auf dem gepflasterten Boden lagen Gemüse- und Obstreste sowie einzelne Federn von Hühnern, Enten und Gänsen. An einem der verbliebenen Stände verkaufte eine Frau Käse und geräucherten Schinken. Bei diesem Anblick lief Maruhn das Wasser im Mund zusammen. Er hatte ebenso wie Fridolin und Konrad unterwegs nur einen leichten Imbiss zu sich genommen und spürte nun, wie hungrig er war.
    Aber der Junge führte ihn an dem verlockenden Stand vorbei zu einem Karren, auf dem mehrere Käfige standen. In einem davon warteten zwei gelblich gefärbte Gänseküken auf einen Käufer, während der Bauer, ein großer, breitschultriger Landmann mit fahlblondem Haar und rötlicher Gesichtsfarbe, auf der Deichsel des Karrens hockte und Pfeife rauchte. Dabei sprach er immer wieder Passanten an und bot die beiden Küken feil. Sein Gaul streckte unterdessen den Hals, um an Rüben zu gelangen, die halb zerquetscht auf dem Pflaster lagen.
    Der Detektiv befürchtete schon, bis zum Abend warten zu müssen, doch da kam eine dickliche Frau des Weges, betrachtete die Tiere und begann zu handeln. Der Bauer nannte seinen Preis und sie den ihren. Das ging im Dialekt und so rasch vor sich, dass Maruhn nicht folgen konnte. Endlich sah es so aus, als wäre die Frau des Feilschens müde geworden. Sie zog ein Portemonnaie aus der Tasche, nahm ein paar Münzen heraus und reichte sie dem Bauern

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