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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Nathalia kicherte erneut und schüttelte dann den Kopf. »Gut, dass Mary uns heute nicht begleitet hat, denn sie würde uns jetzt gehörig den Kopf waschen. Solche Reden gehören sich nicht für Damen!«
    »Dann sollten wir uns in Zukunft besser beherrschen.« Auch wenn Lore ihre Freundin Mary mochte, war ihr diese in ein paar Dingen zu englisch, wie sie es für sich bezeichnete. Dazu gehörte eine gewisse Prüderie, die auch hierzulande immer weiter um sich griff. So war es den Herren streng verboten, in Gegenwart von Damen Anzüglichkeiten von sich zu geben. Stattdessen suchten sie Etablissements wie das
Le Plaisir
auf und lebten dort ihre Triebe aus.
    Lore hatte Hede Pfefferkorn seit deren Heirat nur dreimal getroffen, ihre letzte Begegnung lag bereits zwei Jahre zurück. Nun wünschte sie sich, sie könnte diese Bekanntschaft besser pflegen. Doch es war ihr unmöglich, Hede in deren Bordell aufzusuchen, und sie konnte die Bordellbesitzerin nicht offen empfangen, sonst würden etliche Leute sie schneiden.
    Während Lores Gedanken sich mit Hede beschäftigten, war Nathalia ihr in das darunterliegende Stockwerk gefolgt und blickte nun durch ein Fenster ins Freie. Plötzlich winkte sie ihre Freundin zu sich. »Wie es aussieht, kommt da jemand. Ach, schau an! Es ist Jürgen Göde. Wahrscheinlich hat Graf Nehlen ihn als Boten geschickt, um uns zu sagen, wann die ersten Spendermöbel kommen.«
    »Dann wollen wir nach unten gehen und ihn empfangen. Zum Glück haben wir genug Lebensmittel vom Kaufmann bringen lassen, um ihm einen kräftigen Imbiss vorsetzen zu können.« Lore wollte sich umdrehen, nahm aber die Spuren an Nathalias Kleid wahr, die der Schmutz vom Dachboden hinterlassen hatte, und blickte an sich herab.
    »Bevor wir Herrn Göde empfangen, müssen wir uns zuerst umziehen«, sagte sie lächelnd.
    »Das wäre ein guter Gedanke, wenn wir genug Kleider dabeihätten. Aber ich habe nur noch das Reitkleid, und bei dir sieht es nicht anders aus. Weißt du was? Wir klopfen uns gegenseitig den Staub aus den Kleidern, und dann sehen wir wieder präsentabel aus.«
    »Und wenn nicht?«, fragte Lore.
    »Dann sieht Herr Göde, dass wir nicht auf der faulen Haut herumliegen, sondern etwas tun.« Ohne eine weiteren Einwand abzuwarten, rückte Nathalia den größten Staubflecken auf Lores Kleid zu Leibe und hörte erst auf, als dieses, wie sie behauptete, wieder halbwegs sauber aussah. Danach ließ sie Gleiches über sich ergehen. Da Lores Bemühungen sie kitzelten, kicherte sie und trat so ausgesprochen gut gelaunt ins Erdgeschoss, um Jürgen als ersten Gast auf Klingenfeld zu begrüßen.
    »Seien Sie uns willkommen, Herr Göde. Ihr Erscheinen beweist, dass Graf Nehlen uns nicht vergessen hat!« Lore lächelte den jungen Mann freundlich an, denn anders als seine beiden Vettern fand sie ihn sympathisch.
    »Guten Tag, Frau Gräfin, Komtess!« Da ihm die zehn Kilometer im Sattel in den Knochen saßen, verbeugte Jürgen sich etwas steif. Außerdem wirkte er niedergeschlagen.
    »Ist etwas geschehen?«, fragte Lore besorgt.
    Jürgen verneinte. »Es ist nur so«, fuhr er fort, »Graf Nehlen wollte, dass einer von uns dreien nach Klingenfeld kommt und den Damen beisteht, den Haushalt einzurichten. Leutnant Bukow und Herr von Gademer haben sich geweigert, und so hat unser Großonkel bestimmt, dass ich hierherreiten soll.«
    »Und das gegen Ihren Willen, wollen Sie wohl sagen. Pfui, Herr Göde! Dabei habe ich Sie für einen Kavalier gehalten.«
    Obwohl Nathalia um einiges kleiner war als Jürgen, gab sie ihm das Gefühl, sie sähe auf ihn herab.
    Er senkte den Kopf und streckte abwehrend beide Hände aus. »So ist es gewiss nicht, Komtess. Aber ich weiß nicht, ob ich dieser Aufgabe gewachsen bin. Leutnant Bukow ist es gewohnt, zu befehlen, und von Gademer hat sich als Verwalter eines großen Gutes bewährt. Beide wissen gewiss besser als ich, was hier getan werden muss.«
    »Jetzt stellen Sie sich nicht an wie ein kleiner Junge, der zum ersten Mal auf die Straße hinausgehen soll. Für das, was hier zu tun ist, sind Sie genau der richtige Mann. Das Herrenhaus von Klingenfeld soll ja schließlich keine Kaserne werden, und wir wollen auch keine Kühe im großen Saal züchten. Daher sind die Herren Bukow und Gademer für unsere Zwecke völlig ungeeignet. Sie hingegen sind sowohl in der Kunst wie auch in der Wissenschaft bewandert und haben den Besitzern großer Häuser geholfen, ihre Sammlungen zu sortieren. Jetzt werden Sie uns helfen,

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