Juliregen
das Sammelsurium an Möbeln zu ordnen, das auf uns zukommen wird. Übrigens können wir Ihnen auf dem Speicher eine Überraschung präsentieren, nämlich Möbel aus einer Zeit, in der die Damen ihre Gäste im Bett empfangen haben. Heute wäre das zwar
shocking
, wie Mary Penn sagen würde, aber einem geschenkten Gaul – oder in dem Fall einem geschenkten Bett – schaut man nicht ins Maul!«
Nathalia brachte das so trocken hervor, dass Jürgens Mundwinkel zu zucken begannen. Auch Lore musste sich das Lachen verkneifen, nahm sich aber vor, ihrer Freundin wieder einmal die Leviten zu lesen. Ganz so frei sollte man auch vor Freunden nicht sprechen. Erst einmal war sie jedoch froh, dass Jürgen seine Unsicherheit ablegte und sie bat, sich die Barockmöbel ansehen zu dürfen.
»Sie dürfen sie nicht nur ansehen«, erklärte Nathalia spöttisch, »sondern auch mithelfen, sie vom Speicher zu schaffen, zu reinigen und zu polieren, auf dass ihr Glanz die Augen der Besucher blenden wird, die, von der Neugier getrieben, bald in großen Scharen hier erscheinen werden.«
Lore warf ihr einen scharfen Blick zu. »Du wirst unsere Gäste gewiss nicht in diesem Bett empfangen!«
»Natürlich nicht! Wenn, wäre dies deine Aufgabe. Schließlich ist es dein Haus und dein Bett«, gab Nathalia lachend zurück.
I.
F ür Hede gab es nichts Schöneres, als ihrem Sohn zuzusehen und sich zu freuen, wie geschickt er für sein Alter war. Eben hatte er die Chaiselongue erklommen und sah mit seinen strahlend blauen Augen zu ihr auf. Gleichzeitig hob er die kleine Hand und strich ihr sanft über das Gesicht.
»Mama lieb«, sagte er.
»Ich habe dich auch lieb!« Hede setzte ihn sich auf den Schoß und küsste das blondgelockte Bürschchen, das so engelsgleich aussah, obwohl es manchmal ein kleiner Teufel sein konnte. Im Augenblick schmiegte der Junge sich an sie und war damit zufrieden, ihre Nähe zu spüren.
»Er wird immer flinker«, erklärte seine Kinderfrau. »Ich muss ganz schön aufpassen, dass er mir nicht ausbüxt und die Treppen nach unten steigt. Dort hat er nämlich nichts verloren.«
»Ich habe mir schon überlegt, eine Wohnung zu mieten, in der du mit Fritz wohnen kannst. Aber dann würde ich ihn nicht mehr so oft sehen können.«
Wieder einmal bedauerte Hede, nur eine Hure zu sein, die durch die Umstände des Schicksals reich geworden war. Dieser Makel würde an ihrem Sohn hängenbleiben und ihn am Fortkommen in diesem Land hindern. Sie hatte gehofft, dies durch ihre Heirat ändern zu können. Doch Manfred Laabs war auch nur ein gescheiterter Bordellwirt und nicht jene bürgerliche Existenz, die er ihr zu Beginn ihrer Bekanntschaft vorgespielt hatte. Noch weniger war er ein treusorgender Vater, denn er hatte mit Kindern nicht viel am Hut. In den ersten Monaten nach Fritz’ Geburt hatte Hede sich noch über seine eher gleichgültige Haltung geärgert, doch mittlerweile war sie froh darüber. Es war besser, wenn ihr Junge sich nicht den Vater zum Vorbild nehmen konnte. Wenigstens jetzt noch nicht, schränkte Hede ein. Doch was war, wenn Fritz größer wurde und ihr Mann ihn in den Kreis seiner Freunde einführte, die sie für Gauner oder Schlimmeres hielt?
»Das darf nicht geschehen«, sagte sie, um sich selbst Mut zu machen.
»Was sagen Sie, Madame?«, fragte ihre Kinderfrau verwirrt.
»Ach, nichts«, antwortete Hede, die sich in diesem Augenblick nichts sehnlicher wünschte, als sich mit ihrem Sohn in die Provinz zurückzuziehen und dort ein bürgerliches Leben beginnen zu können. Dafür aber würde sie das
Le Plaisir
aufgeben müssen, und das würde ihr Mann niemals zulassen. Manfred hatte sich zu sehr daran gewöhnt, das Geld auszugeben, das sie verdiente, und er würde seine Unarten auch anderswo nicht aufgeben.
Doch waren es wirklich nur Unarten?, fragte sich Hede. Von Dela Wollenweber hatte sie erfahren, dass Manfred an Anno von Klingenfelds Betrügereien beteiligt gewesen war. Allerdings hatte der Baron ihn ebenso wie seine anderen Komplizen um den vereinbarten Anteil gebracht und war mit dem ergaunerten Geld verschwunden.
Wie schon mehrfach in den letzten Tagen fragte sich Hede mit schlechtem Gewissen, ob sie nicht Fridolin schreiben und die Schuld ihres Mannes bekennen sollte. Doch um ihres Jungen willen schob sie es immer wieder auf. Aber wie lange würde sie mit dieser Lüge leben können? Fridolin von Trettin war ein alter Freund, und er vertraute ihr. Wie sie es auch immer betrachten mochte – das
Weitere Kostenlose Bücher