Juliregen
Verwalterhauses für seine Vettern Bukow und Gademer gut genug dünkten.
Jürgen erteilte den Knechten einige Anweisungen, stieg dann die Treppe hinab und erreichte den Vorplatz in dem Augenblick, in dem der Landauer mit Rodegard und Gottlobine von Philippstein vorfuhr. Dies geschah in demselben gemächlichen Tempo, das Frau Rodegard einzuschlagen befohlen hatte und das Graf Nehlens Ansicht nach mindestens ein Viertel mehr Zeit gekostet hatte, als wenn er selbst die Zügel geführt hätte. Da seine Hoffnung, die beiden Damen hätten sich nur für ein oder zwei Wochen bei ihm eingenistet, sich nicht zu erfüllen schien, überlegte er bereits, ob er die Entscheidung, welcher Neffe sein Nachfolger werden sollte, nicht früher bekannt geben sollte. Da er die beiden Frauen jedoch für durchtrieben genug hielt, nur noch diesen Neffen zu belagern, zögerte er. Nun schob er diese Überlegungen beiseite, um sich einen Eindruck davon zu verschaffen, was sich seit seinem letzten Aufenthalt in Klingenfeld getan hatte.
Der Graf schwang sich wie ein junger Mann aus dem Sattel, warf die Zügel einem herbeieilenden Knecht zu und begrüßte Lore und Nathalia, die so aussahen, als wüssten sie nicht, ob sie diese Gäste willkommen heißen oder als Heimsuchung ansehen sollten.
»Einen schönen guten Tag wünsche ich, Gräfin Trettin, Komtess Nathalie und dir natürlich auch, Jürgen. Ich hoffe, du hast die Damen nach Kräften unterstützt. Einen Faulenzer brauchen sie nämlich wirklich nicht!«
Bukow und Gademer lachten, während Rodegard von Philippstein eine verächtliche Miene zog. So wie Graf Nehlen Jürgen behandelte, sah er in ihm wohl mehr einen unerwünschten Gast als einen Verwandten, der als nächster Gutsherr auf Nehlen in Frage kam.
»Ich versuche, mich im Rahmen meiner Möglichkeiten nützlich zu machen«, antwortete Jürgen geknickt.
Nathalias Augen begannen zu funkeln. »Herr Göde ist uns eine sehr große Hilfe, Graf Nehlen. Es war eine hervorragende Idee von Ihnen, ihn zu uns zu schicken!«
Leutnant Bukow fühlte sich trotz aller Bemühungen gegenüber seinem Konkurrenten Gademer bei Gottlobine im Hintertreffen und hatte sich längst wieder Nathalias Vermögen in Erinnerung gerufen. Daher passte ihm deren Lob für seinen zweiten Vetter nicht.
»Pah! Hätte ich besser machen können«, warf er mit einer verächtlichen Handbewegung ein.
Lore gefiel dieses arrogante Auftreten ganz und gar nicht, und sie warf einen Blick auf Nathalia, um zu sehen, ob ihre Freundin dem Offizier Kontra geben wollte. Doch um Nathalias Lippen spielte nur ein seltsames Lächeln. »Wollen wir nicht ins Haus gehen?«, fragte sie. »Die Herrschaften haben doch gewiss nichts gegen einen kleinen Imbiss einzuwenden.«
»Sehr gerne«, erklärte Graf Nehlen, während sein Neffe Gademer spöttisch den Mund spitzte.
»Wird wohl nicht viel geben, nachdem hier alles ausgeräumt worden ist.«
»Es steht Ihnen frei, ins Dorf zu reiten und sich im Krug zu versorgen«, antwortete Nathalia, die immer noch lächelte.
So weit wollte Gademer es dann doch nicht kommen lassen, daher folgte er ihr vor den anderen ins Haus. Drinnen war die alte Erna mit Unterstützung eines im Dorf engagierten Mädchens schon dabei, im kleinen Speisezimmer für die Gäste zu decken.
Rodegard von Philippstein fielen beinahe die Augen aus dem Kopf, als sie die prachtvollen Barockmöbel entdeckte, die die Mägde unter Jürgens Aufsicht auf Hochglanz gebracht hatten. Auch bei den angebotenen Leckerbissen konnte sie ihren Schnabel nicht wetzen, denn man aß hier nicht schlechter als auf Nehlen.
Der alte Graf nickte anerkennend. »Nicht schlecht! Wenn das ganze Haus so aussehen würde, wäre es der feudalste Herrensitz im weiten Umkreis.«
»Leider ist dies nicht der Fall«, bekannte Lore. »Der große Saal ist noch völlig leer, ebenso die meisten Zimmer im Obergeschoss, und auch sonst fehlt noch einiges.«
»Da werden wir wohl auf dem Heuboden schlafen müssen!« Rodegard von Philippstein gab sich pikiert, obwohl ihr der Neid auf das fürstlich eingerichtete Speisezimmer aus den Augen sprang.
»Den Herren Gademer und Bukow könnte dieses Schicksal drohen, doch für Sie, liebste Frau von Philippstein, und Ihre reizende Tochter haben wir oben zwei Betten, die uns einer der Bauern in der Nachbarschaft gestiftet hat. Die Strohsäcke sind sogar frisch gefüllt!« Nathalias liebenswert vorgetragener Spott amüsierte den alten Grafen, während die Herren von Bukow und von
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