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Jung genug zu sterben

Jung genug zu sterben

Titel: Jung genug zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Liemann
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Christines Leiche. Melina ging zu ihr und strich ihr übers Haar.
    »Ich schulde ihr 17   Euro . Wie soll ich ihr die zurückzahlen?«
    »Bist du blöde?«, rief Ole. »He, sie ist tot, du taube Tusse!«
    »Ole   … «, sagte Melina.
    »Wie will sie ihr 17   Euro zurückzahlen? Die spinnt.«
    Sie nahm ihn zur Seite. »Wenn man um einen Menschen trauert, kommen einem manchmal merkwürdige Dinge in den Sinn.«
    » 17   Euro . Echt krank, Alter!«
    »Komm, Ole, lass Jasmin bitte mal in Ruhe. Wenn man unter Schock steht, wie einige von uns, reagiert man nicht mit dem Verstand.«
    »Darf ich mal was fragen?« Nathan war hinzugekommen. »Sie waren oben auf dem Turm?« Er klang wie die Parodie eines Staatsanwalts aus dem Fernsehen, aber seine Augen sahen nicht aus, als wolle er etwas nachspielen.
    »Ich war da oben, ja. Christine hat mir eine SMS geschickt, dass ich kommen soll. Wegen einer – Überraschung.«
    »Christine ist bestimmt nicht freiwillig gesprungen«, sagte er, und die Anklage war nicht nur für Melinas Ohren bestimmt. »Jemand hat sie gestoßen. Warum? Was hat sie Ihnen getan? Waren Sie eifersüchtig auf sie? Wegen Dr.   Fogh?«
    Melina lachte ansatzweise, sah aber in die ihr zugewandten Gesichter, denen nicht zum Lachen war. »Die beiden haben miteinander gerungen. Ihr könnt das sehen. An den Wunden, an der Kleidung. Dabei sind sie abgestürzt. Ich bin zu spät gekommen.«
    »Kann ja sein, dass sie sich gestritten haben«, erklärte Ole. »Aber Sie stehen hier vor uns. Offenbar haben Sie nachgeholfen.«
    Melina setzte sich neben ihre Jacke. »Warum sollte ich das tun?«
    »Warum sollte Christine mit Dr.   Fogh kämpfen? So war sie nicht.«
    »Da hast du recht«, sagte Melina, »so war sie nicht. Das dachte ich auch in dem Moment.«
    Ole und Nathan sahen sich verwundert an.
    Sie hörte Sirenen.
    Endlich. Zu spät und dennoch zum richtigen Zeitpunkt.

61
    Professor Lascheter ließ die Ratschläge des Kondukteurs nickend an sich abperlen. Er stand schon am Ausgang und wartete, dass der Zug endlich Alp Grüm erreichte und hielt. Es ging um die Berge, den Ausblick, die Wandermöglichkeiten, die Preise und immer wieder: um das Wetter.
    »Der Herr reist so ganz ohne Gepäck?«
    Lascheter zeigte seine Aktenmappe. »Hier ist alles drin, was ich brauche: eine Nagelfeile, ein Computer und eine Pistole gegen aufdringliche Fragen.«
    Der Mann in Bahnuniform lachte. »Treten Sie bitte einen Schritt zurück, ich muss als Erster auf den Perron treten.«
    Lascheter nahm die Verabschiedung des gut gelaunten Eisenbahners wahr. Es gab zwei, drei Menschen, die in den Zug einstiegen, aber niemanden außer ihm, der ankam, wenn man von den Bahnern absah. Niemand erwartete ihn an der Tür. Er ging durch, nicht in den Schankraum und zum Bahnhofsbuffet, sondern direkt zur Treppe. So viel konnte man auf den Bildern im Internet sehen: Das Gebäude war so klein, dass die meisten Gästeräume in der oberen Etage liegen mussten.
    Er klinkte die Räume ab. Sie waren verschlossen bis auf zwei. Bei denen waren die Betten nicht benutzt, ein Fenster war zum Lüften geöffnet. Blieben noch zwei Türen. An der einen stand
Privat,
an der anderen
Personal
. Er wählte den Raum für das Personal.
    Das ist Riccardas Zimmer.
    Das Mädchen, das Fogh so stümperhaft erstochen hat.
    Niemand war in dem kleinen Zimmer. Aber es war nicht abgeschlossen. Die Luft stickig, das Kunststoffgehäuse des Computers noch warm.
    Lascheter schaute auf den Flur. Offenbar hatte niemand seine Ankunft bemerkt. Er schloss die Tür und startete den Computer.
    Ohne Passwortschutz gelangte er in das Mailprogramm. Das waren die Mails, die Lena schickte. Von irgendwo hierher. Er dockte sein E-Pad an und kopierte die Mails samt Anhängen. Dann übertrug er ihre Mail-Einstellungen auf das E-Pad . Wenn Lena eine Mail an Riccarda schickte, würde er sie empfangen.
    Er sah sich in dem Zimmer um und fragte sich, ob er noch etwas anderes brauchen könnte.
    Ich muss mich nur beeilen.
    Er wählte die Telefonnummer von Fogh, aber da schaltete sich nicht mal die Mailbox ein.
    Computer aus.
    Tür zu.
    Am Fuß der Treppe stand eine kleine, rothaarige Frau. »Oh, bin ich erschrocken!«, sagte sie mit starkem Schweizer Dialekt. »Seien Sie willkommen auf der Alp Grüm!« Sie reichte ihm die Hand. »Ich bin die Geschäftsführerin.«
    »Lascheter. Ich bin ein guter Freund von Herrn   … Jenissej. Wir sind verabredet. Das heißt, ich weiß leider nicht, ob wir uns an dieser Station

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