Jung, sexy und beliebt
»Hast du Jeremiah gesehen?«
»Ja, ab und zu«, murmelte Brett.
»Immer noch Schwierigkeiten mit seinem Akzent?« Callie warf einen Blick in den Spiegel ihrer Puderdose, um ihr transparentes Lipgloss zu überprüfen.
»Ja«, stöhnte Brett. Ihr Freund Jeremiah war der Star des St.-Lucius-Footballteams. Obwohl er aus einer alten Geldadel-Familie in Newton stammte, einem reichen Vorort von Boston, pflegte er einen üblen Unterschichtakzent.
»Hast du ihn besucht oder er dich?«
»Ich war eine Woche mit seiner Familie auf Martha’s Vineyard. Das war echt schön.« Brett mochte Jeremiah, aber vor allem liebte sie seine Familie. Sie waren so typisch Neuengland-reich – mit Understatement und Geschmack, das krasse Gegenteil ihrer trashigen Eltern. Außerdem sah Jeremiah extrem gut aus mit seinem markanten Kinn, den weich bis auf die Schultern fallenden rotbraunen Haaren und den blaugrünen Augen, deren Blicke sie verschlangen.
Brett hatte versprochen, ihn anzurufen, sobald sie wieder in der Schule wäre, und dann Telefonsex mit ihm zu haben. Jeremiah hatte im Sommer mit ihr schlafen wollen, aber sie war noch nicht dazu bereit gewesen. Sie wusste nicht genau, warum, abgesehen davon, dass sie noch nie mit jemandem geschlafen hatte und sich nicht sicher war, ob Jeremiah der Richtige für das erste Mal war.
Ob und mit wem sie ihre Jungfräulichkeit verlieren würde, gehörte allerdings nicht zu den Dingen, über die Brett jemals gesprochen hätte. Vor Callie hatte sie behauptet, schon vor Ewigkeiten von einem Schweizer namens Gunther entjungfert worden zu sein, den sie bei einem Skiurlaub in Gstaad kennengelernt hatte – dabei hatte sie den Jungen kaum an sich rangelassen. Brett hatte in Waverly ein Image von sich kultiviert: tough, erfahren, distinguiert und ein bisschen zickig. Ihre Mutter war genau das Gegenteil – hilflos, naiv, kindisch. Und so wollte Brett auf keinen Fall sein.
Callie streckte ihre langen, makellos glatten Beine aus. »Ich muss unbedingt duschen.« Sie gähnte, stand auf und schlüpfte in ein Paar Clogs. »Hast du Lust, essen zu gehen, wenn ich fertig bin?«
Brett zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht. Ich muss mich noch für morgen vorbereiten. Es gibt wohl einen neuen Vertrauenslehrer und da sollte ich einigermaßen präpariert sein.« Brett war letztes Schuljahr zur Jahrgangssprecherin gewählt worden, was bedeutete, dass sie den Anwesenheitsappell leitete und Schülervorsitzende des DA, des Disziplinarausschusses, war. Es war ein enormer Beweis für ihre Beliebtheit – man musste von der gesamten Stufe einstimmig gewählt werden. »Aber vielleicht kann ich das auch sausen lassen. Außerdem ist heute Abend ja noch die Party …«
»Wie auch immer.« Callie schwenkte ihr Handtuch und drehte sich zur Tür.
Brett ließ sich aufs Bett fallen und starrte aus dem Fenster. Der Fluss, dessen Anblick sonst so beruhigend auf sie wirkte wie ein Schluck alter Whisky, kam ihr jetzt erdrückend vor. Sie hatte sich das erste Zusammentreffen mit Callie nach dem langen Sommer anders vorgestellt. Sie hatte nicht erwartet, dass sie gleich über Tinsley reden würden, und sie hatte angenommen, dass Callie sich wie immer verhalten würde – dass sie sich auf Bretts Bett werfen, eine Tüte Käseflips für sie beide aufreißen und von all ihren wilden, romantischen und gewagten Abenteuern erzählen würde, die sie den Sommer über erlebt hatte. Sie würden lachen, Gin Tonic trinken und dann essen gehen, genau wie letztes Jahr.
Sie klappte ihr Handy auf und drückte die Kurzwahltaste ihrer Schwester Brianna, die in New York wohnte und als Moderedakteurin bei Elle arbeitete. Bree hatte die Waverly-Mühle schon vor sechs Jahren durchlaufen und konnte Brett eigentlich in jeder Lebenslage helfen. Leider ging sofort ihre Mailbox an.
»Hey, ich bin’s«, plapperte Brett los, nachdem sie den Piepton gehört hatte. »Mir geht’s … ich weiß nicht. Schlecht. Ruf mal an oder so.«
Sie beendete das Gespräch und ließ sich auf ihr Bett zurückfallen. Kaum lag sie, dudelte ihr Handy. Sie dachte, es sei Bree, und klappte es auf, aber sie hatte sich getäuscht.
»Hallo, Jeremiah«, sagte sie mit einem Seufzer. »Wie geht’s?«
»Verrucht gut jetzt«, hauchte er am anderen Ende.
Brett verdrehte die Augen. Dann stellte sie sich vor, wie er mit seinen langen gebräunten Armen und sexy Augen in einem zerschlissenen Football-Trikot und Boxershorts ausgestreckt auf seinem Bett in St. Lucius lag, zehn Meilen
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