Junimond (German Edition)
super Graphik! Oder: Wenn man dahinten Green-Screen hätte, dann könnte man so tun, als ob wir am Meer wohnen .
Filme waren seine Realität und das echte Leben mehr oder weniger unwichtig und vor allem - unreal. Zumindest meistens. »Hej, wir haben schon so lange nicht mehr zusammen gegessen«, sagte sein Vater. »Komm, hol Helena und ich back uns Pizza auf.«
»Was ist mit Mama?«
»Theatermatinee.«
Ares war unschlüssig. Er wollte so schnell wie möglich rüber, aber vielleicht war es gut, satt zu sein, bevor er sich allen kommenden Fragen und Anforderungen stellte.
»Okay.«
31
Während sein Vater im Gefrierschrank nach Pizzen suchte, ging Ares zu Helena.
»Endlich!«, sagte sie erleichtert und sah ihn an, als ob sie am Verhungern wäre.
»Ich esse zwei«, war ihr erster Kommentar, als sie die Küche betraten.
Sein Vater fächerte fünf Pizzen auf, die er in beiden Händen hielt.
Helena lächelte. »Coole Speisekarte.«
»Ja, so cool«, sagte er und legte die Pizzen ab, die an seinen Fingern festzufrieren begannen.
»Ich nehme Salami«, beschloss Ares.
Sie heizten den Ofen vor und setzen sich an den Küchentisch. Helena ließ sofort den Kopf auf die Tischplatte sinken und schloss die Augen. Sie hatte die Fähigkeit, Kurzschläfchen zu halten, egal an welchem Ort und zu welcher Zeit, einfach ein paar Sekunden einzunicken und dann wie neugeboren aufzuwachen.
Ares würde die Konversation führen müssen. Was ihm nur recht war. Zeit für ein paar Fragen. Vielleicht gab es ja auch über ihr Haus irgendwelche Geschichten. Eigentlich war es sogar unwahrscheinlich, dass es keine Geschichten gab.
»Sag mal Papa, hast du ne Ahnung, ob in unserem Haus mal jemand Prominentes gewohnt hat?
»Na, deine Mutter ist prominent.«
»Ich meine mehr so geschichtlich.«
»Ach, so.«
Sein Vater öffnete vom Tisch aus den Kühlschrank und spähte unentschlossen hinein.
»Haben wir noch was anderes zu trinken außer Sojamilch?« Es war eine rhetorische Frage, also ignorierte sie Ares.
»Ich meine, kennst du den Vorbesitzer oder die Vorbesitzer?«
Jetzt war die Frage offenbar bei seinem Vater angekommen, denn er sah konzentriert auf.
»Na wir haben das Haus damals von einem Manager übernommen, der zu dem französischen Konzern gehörte, der die Studios in Babelsberg 1992 von der Treuhand übernommen hat. Die haben die DEFA nach der Wende abgewickelt. Er wollte oder musste dann zurück nach Frankreich. Er hatte alles renoviert und wir konnten es zu einem Schnäppchenpreis übernehmen. Du weißt ja, wie deine Mutter und ich sind. Nur nicht mit dem Alltäglichen aufhalten. Wir konnten gleich einziehen.«
»Und wer wohnte hier vorher?«
»Tja, wart mal ... Ich glaube, das Haus wurde so um 1890 gebaut. Mehr weiß ich nicht.« Er schob die Pizzen in den vorgeheizten Ofen und stellte den Ofenwecker auf 15 Minuten. »Aber hier nebenan die Villa, die ist interessant.«
»Die alte Villa? Die die ganze Zeit leer stand?«, fragte Ares begeistert. Es wäre doch großartig, wenn er Stella mit einer Geschichte über ihr eigenes Haus beeindrucken könnte.
»Nein, auf der anderen Seite. Dieser neobarocke oder neoklassizistische oder Jugendstilbau. Der wie ein Landschloss aussieht.«
»Eklektizismus«, stöhnte Helena leise, die noch eine Klausur in Kunst schreiben musste.
»Von griechisch eklektos, ausgewählt. Bedeutet die Verarbeitung verschiedener Kunststile.«
»Ist ja gut!«, sagte ihr Vater und strich Helena sanft über das Haar. »Wenn wir mehr Informationen brauchen, melden wir uns.«
»Und? Was ist damit?«, fragte Ares ein wenig enttäuscht. Was interessierten ihn die anderen Häuser.
»Der Theaterdirektor Adolph L’Arronges hat dort mal gewohnt. Ich wollte mal einen Film über ihn machen. Heute kennt ihn kein Mensch mehr, aber so um die Jahrhundertwende wurden seine Volksstücke auf allen Bühnen gespielt.«
»Warum gerade über ihn?«, fragte Ares und nahm sich die zweite Cola.
»Das hat mich interessiert. Dass jemand so erfolgreich ist, und ihn dann, ein paar Jahrzehnte später, kein Mensch mehr kennt.«
»Fast-Food-Unterhaltung.«
Sein Vater lachte. »Ja, genau. Wie mit unserer Pizza. An die werden wir uns kulinarisch sicher auch nicht lange erinnern.«
»Und warum hast du den Film dann nicht gemacht?«
»War zu teuer und am Ende steht ja immer die Frage, ob ein Film sich rentiert, und das heißt, ob ihn sich genug Leute ansehen.«
»Na ja ...«, sagte Ares höflich, da er bestimmt kein Zuschauer
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