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Jupiter

Jupiter

Titel: Jupiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bova Ben
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dankbar sein sollte.
    *
    Den Rest des Tages arbeiteten Lane, Egon und Muzorawa abwechselnd mit Grant und halfen ihm, wieder gehen zu lernen.
    »Sie müssen die Nervenbahnen wiederherstellen«, erläuterte Karlstad, als Grant an seiner Schulter hing und langsam die Reihe der Krankenbetten entlangging. Nur zwei waren belegt. Einer der Patienten war ein Ingenieur, der bei einem Arbeitsunfall Schwefeldioxid eingeatmet hatte. Der andere war ein Verwaltungsangestellter der Station, der wegen Alkoholismus behandelt wurde.
    »Sie müssen die Beinnerven, die mit dem Zentralnervensystem im Rückgrat verbunden sind, dazu bringen, dass sie wieder miteinander sprechen«, präzisierte Karlstad. »Es dauert einen Tag oder so.«
    »Wir haben nicht einen Tag oder so«, murmelte Grant. Er schwitzte vor Anstrengung bei dem Versuch, normal zu gehen. »Wo möchte in drei Tagen starten.«
    Karlstad zuckte die Achseln. »Na ja, wenn Sie erst in der Suppe untergetaucht sind, brauchen Sie eigentlich nicht mehr gehen können.«
    Auch Lane half ihm, obwohl es Grant beunruhigte, sich an ihr festzuhalten, wenn sie zusammen gingen. Er schloss die Augen und versuchte sich Marjorie vorzustellen, aber Lanes subtiles Parfüm ließ das Vorstellungsbild seiner Frau immer wieder verschwimmen.
    Muzorawa arbeitete die ganze Nacht mit ihm durch, hilfsbereit, geduldig, ohne hohe Ansprüche. Er war kräftig genug, um Grant zu heben und ihn durch den Hauptkorridor der Krankenstation zu tragen, wenn es sein musste, aber er bot ihm nur so viel Hilfe an, wie benötigt wurde, nicht mehr.
    »Es ist hart«, sagte Grant, als er wieder einmal die Reihe der Betten entlanghinkte. Er ging jetzt aus eigener Kraft, ungestützt. Die Schmerzen, die er fühlte, waren fast ganz psychosomatisch, versicherte ihm das medizinische Personal; er mache gute Fortschritte.
    »Natürlich ist es hart«, sagte Muzorawa, der langsam neben ihm ging. »Sie müssen wieder gehen lernen. Wir alle mussten es.«
    »Mit mir geht es ziemlich langsam, wie?«
    »Sie sind wie der Tausendfüßler in der alten Geschichte.«
    »Tausendfüßler?«
    »Eines der Tiere im Wald fragt den Tausendfüßler, wie er all diese Füße beherrschen kann. Und der Tausendfüßler antwortet, dass es eigentlich ganz einfach ist. Aber als er erklärt, wie er es macht, und anfängt, darüber nachzudenken, wie er seine tausend kleinen Füße beherrscht, gerät er so in Verwirrung, dass er gar nicht mehr gehen kann.«
    Grant nickte. »Ja, richtig, ich erinnere mich vom Kindergarten daran.«
    »Wir alle haben so früh im Leben gehen gelernt, dass wir es für selbstverständlich halten. Wenn wir gezwungen sind, es noch einmal zu lernen, sehen wir erst, wie viel Anstrengung es erfordert.«
    Grant stolperte und suchte Halt an einem der leeren Krankenbetten.
    »Vierbeinern braucht man nicht beizubringen, wie sie gehen müssen«, sagte Muzorawa, als Grant sich gefangen hatte und weiterging. »Menschliche Säuglinge kriechen ganz natürlich auf allen vieren. Aber sie müssen lernen, wie sie auf ihren zwei Füßen gehen; ich glaube, das ist ein Zeichen, dass auch wir uns aus vierbeinigen Lebewesen entwickelt haben.«
    »Glauben Sie das wirklich?«, fragte Grant.
    »Ich bin kein Biologe, aber ja, ich glaube, dass es sich so verhält.«
    »Sie glauben an Darwins Evolutionstheorie?«
    »Beleidigt Sie das?«
    »Nein«, antwortete Grant wahrheitsgemäß. »Ich nehme an, dass ich selbst daran glaube. Schließlich ist die Evolution längst wissenschaftlich bewiesen.«
    »Sie nehmen an, dass Sie daran glauben, obwohl Sie einräumen, dass die Evolution wissenschaftlich bewiesen ist?«, fragte Muzorawa.
    Grant zog es vor, das Thema zu wechseln. »Ich wünschte, wir wären in Schwerelosigkeit.«
    »Das ist die Ironie daran«, meinte Muzorawa. »Während der Dauer der Mission werden wir eingetaucht sein und schwerelos dazu. Wir werden unsere Beine nicht zum Gehen brauchen.«
    »Ja, das ist eine hübsche Ironie, wenn man es bedenkt.«
    Muzorawa hob die Hand wie ein Seher alter Zeiten, der im Begriff ist, eine Prophezeiung zu machen. »Aber unsere Beine werden während der Mission eine andere Funktion haben, eine weitaus wichtigere.«
    Und er lächelte, als erinnere er sich an etwas sehr Angenehmes.
    *
    Grant begann zu begreifen, was Muzorawa gemeint hatte, als er sein beschleunigtes Training im Simulator begann.
    Angetrieben von Dr. Wos zunehmend nervösem Drängen, stolperte Grant von der Krankenstation direkt zum Aquarium, legte einen

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