Jupiter
Kehlkopfoperation. Kaum hatte man sie in den Operationsraum geführt, da riss sie sich los und rannte davon. Bei der Gelegenheit brach sie ein paar Rippen. Und Arme.«
»Also verstand sie, was geschehen sollte?«
»Und ob! Sie rannte zurück in ihre Kammer, und niemand konnte sie dort hervorlocken. Wir wollten sie betäuben und den Eingriff vornehmen, aber das medizinische Hilfspersonal war praktisch außer Gefecht gesetzt, und so war es unmöglich.«
»Und er versuchte es nicht wieder?«
»Noch nicht«, sagte Karlstad. »Aber er wird es tun. Der schlaue alte Wo gibt nicht auf. Der nicht.«
Im Korridor brannte jetzt die Nachtbeleuchtung und es war ganz still. Die meisten Leute waren in ihren Quartieren oder schliefen bereits. Außer einem Paar mittleren Alters, das Hand in Hand vor ihnen durch den im Zwielicht liegenden Korridor schlenderte, war niemand in Sicht.
»Also haben wir da hinten einen Gorilla, der frei herumläuft«, sagte Grant.
Karlstad wartete mit seiner Antwort, bis das Paar, das inzwischen umgekehrt war und ihnen entgegenkam, vorbeigegangen war, dann sagte er mit gedämpfter Stimme: »Sheena arbeitet als Bewacherin des Aquariums.«
»Warum braucht das Aquarium eine Wache?«
»Es braucht keine. Das alles ist Wos brillante Idee«, sagte Karlstad, noch immer mit gedämpfter Stimme. »Er ließ das Tier hierher schaffen, als es noch ganz klein war, also muss er zeigen, dass die Ausgaben für einen praktischen Zweck gemacht wurden.«
Grant schüttelte verwundert den Kopf.
»Wenigstens einen Vorteil hat Sheenas verbesserte Gehirnleistung.«
»Was für einen Vorteil?«
»Sie kann ihre Kammer in Ordnung halten und geht zur Toilette, wenn sie ein Geschäft verrichten muss.« Er lachte. »Natürlich musste sie die Toilettenbenutzung erst lernen, wie jedes Kind. Aber als sie erwachsen wurde, mussten wir einen besonders verstärkten Toilettensitz für sie anbringen.«
»Kann ich mir denken«, murmelte Grant. Er mochte sich das alles nicht vorstellen.
Als er in sein Quartier kam und die Tür hinters ich schloss, überlegte er, ob er Ellis Beechs Büro eine Nachricht schicken sollte. Delphine und Gorillas. Unsere intellektuellen Vettern. Dann dachte er, dass die Neue Ethik schon darüber Bescheid wissen musste. Wer konnte einen jungen Gorilla in voller Geheimhaltung in die Station schicken? Und erst Delphine!
Außerdem, dachte er erschöpft, worauf lief das alles hinaus? Warum brachte Dr. Wo diese Tiere hierher?
Was hat er vor? Das ist es, was ich herausfinden muss. Das ist meine Rückfahrkarte zu Marjorie.
Erst als er im Bett lag und eindämmerte, fiel ihm ein, dass Karlstad ihn überlistet hatte. Die Begegnung mit Sheena musste hier eine Art Initiationsritus sein. Er fragte sich, wie viele Neuankömmlinge vor Angst die Flucht ergriffen oder in Ohnmacht gefallen waren. Oder sich nass gemacht hatten.
Wenn er es recht bedachte, hatte er sich ganz gut gehalten. Karlstad konnte den anderen nicht viel erzählen. Von Angst gelähmt zu sein, hatte seine Vorteile, erkannte er.
Als Grant schließlich einschlief, verbrachte er seine erste Nacht in der Forschungsstation Gol d mit unruhigen Träumen in denen er von Gorillas und einem augenrollenden und knurrenden Dr. Wo verfolgt wurde. Marjorie erschien für kurze Zeit, verwandelte sich aber irgendwie in die große, schlanke Lane O’Hara, die ihm einladend zulächelte. Er versuchte sich von ihr zurückzuziehen, aber Sheena versperrte ihm den Weg. Er fühlte sich gefangen und allein und hilflos.
Ein schnarrendes Geräusch drang in seine unruhigen Träume ein, beharrlich und fordernd. Er zwang die verklebten Augenlider auf und hatte momentan keine Ahnung, wo er war. Dann fiel es ihm ein: sein Quartier in der Station Gold. Sein Bettzeug war zerwühlt und feucht von seinem Schweiß. Mit Entsetzen stellte er fest, dass er ins Bett genässt hatte.
Nicht weiter schlimm, sagt er sich, während das hartnäckige Schnarren weiterging. So etwas kann passieren, ist jenseits bewusster Kontrolle. Der Stress, die ungewohnte Umgebung – es ist keine Sünde und kein großes Unglück, solange es nicht zur Gewohnheit wird.
Das Schnarren wollte nicht aufhören. Allmählich ging Grant auf, dass es das Telefon war. Er sah das gelbe Licht auf der Nachttischkonsole rhythmisch mit dem zornigen Schnarren blinken.
»Telefon«, sagte er, »Antwort nur audio.«
Der Bildschirm an der Wand gegenüber wurde hell und zeigte Zareb Muzorawas dunkles, düster blickendes Gesicht.
»Habe
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