Jupiter
beauftragt«, sagte er schließlich. »Wir sind nur zehn Personen – und Dr. Wo selbst. Und natürlich das medizinische und technische Unterstützungspersonal.«
»Warum brauchen Sie ein medizinisches Unterstützungspersonal?«, wunderte sich Grant.
»Der Ozean ist Wos fixe Idee«, sagte Muzorawa. »Er ist entschlossen, herauszufinden, was dort unten vorgeht.«
»Und woran arbeiten Sie dabei?«
»Ich? An der Flüssigkeitsdynamik der Jupiteratmosphäre und des Ozeans.«
Grant wartete auf mehr.
»Die Atmosphäre und der Ozean, die zusammen ein System bilden, sind anders als alles, was wir bisher kennen«, sagte Muzorawa. Endlich gab er seine besorgte Zurückhaltung auf und wurde lebhafter. »Zum einen gibt es keine klare Trennungslinie zwischen der gasförmigen und der flüssigen Materie, also wo die Atmosphäre endet und der Ozean beginnt.«
»Es gibt keine wirkliche Meeresoberfläche, das ist bekannt«, sagte Grant, um dem älteren Mann zu zeigen, dass er nicht völlig unwissend war.
»Nein, es ist nicht wie auf der Erde. Die Jupiteratmosphäre verdichtet sich allmählich unter dem gewaltigen Druck, bis sie den gasförmigen Zustand verliert und den flüssigen annimmt. Aber es ist… nun, es ist etwas anderes.«
Muzorawa zog die Schultern ein, beugte sich näher über den Tisch und fuhr fort: »Ozean und Atmosphäre werden von unten aufgeheizt, müssen Sie wissen. Die innere Hitze des Planeten ist stärker als die Sonneneinstrahlung auf die obersten Wolkenschichten. Der Druckgradient ist enorm steil: Jupiters Schwerefeld ist das stärkste im Sonnensystem.«
»Es beträgt das Zweieinhalbfache des Irdischen«, sagte Grant.
»Das ist bloß oben auf der Wolkendecke«, erwiderte Muzorawa. »Es wird stärker, wenn Sie tiefer in die Atmosphäre eintauchen. Haben Sie eine Vorstellung davon, wie hoch der Druck dort unten ist?«
Grant zuckte die Achseln. »Sicherlich das Tausendfache des normalen atmosphärischen Drucks.«
»Das Mehrtausendfache des Drucks am Grund des tiefsten Ozeans auf Erden«, berichtigte Muzorawa. Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht, das glückliche, zufriedene Lächeln eines Wissenschaftlers, der Gelegenheit sieht, über sein Fachgebiet zu sprechen.
»Also sorgt der atmosphärische Druck dafür, dass die gasförmigen Bestandteile flüssig werden.«
»Selbstverständlich! Es gibt einen Ozean da unten, zehnmal größer als die ganze Erde. Flüssiges Wasser, mindestens fünftausend Kilometer tief, vielleicht mehr; es ist uns noch nicht gelungen, mit Sonden den Grund zu erreichen.«
»Und in dem Wasser schwimmt etwas?«, fragte Grant.
Muzorawas Lächeln verschwand. Er blickte über die Schulter, dann beugte er sich noch näher zu Grant und raunte: »Die inoffizielle Version ist, dass die tiefsten Sonden Hinweise auf Objekte ausgemacht haben, die sich im Jupiterozean bewegen.«
»Objekte?«
»Objekte.«
»Sind es Lebewesen?«
Muzorawa blickte zur Decke auf, dann schob er sich noch weiter über den Tisch, bis Grant seinen nach Sojafrikadellen und
Gewürznelken riechenden Atem in die Nase bekam. »Wir wissen es nicht. Noch nicht. Aber Wo will es herausbringen.« Grant verspürte aufkommende Erregung. »Wie? Wann?« »Eine Tiefensonde«, raunte Muzorawa. »Wirklich tief. Und
bemannt. Eine Besatzung von sechs Personen.« Grant blieb der Mund offen stehen. »Hinunter in den Ozean?« Muzorawa machte mit beiden Händen dämpfende,
beschwichtigende Bewegungen und blickte schuldbewusst über die Schulter. »Nicht so laut!«, flüsterte er. »Das ist alles streng geheim.« »Aber warum? Warum sollte es geheim sein? Vor wem will er es geheim halten?«
Muzorawa stieß sich vom Tisch zurück und richtete sich auf. Er schüttelte den Kopf und sagte nur: »Das werden Sie schon noch erfahren. Vielleicht.«
11. LEVIATHAN
Leviathan folgte einer Aufquellströmung durch die endlose See und weidete in der Bewegung die Nahrung, die vom Abgrund über ihm niedersank. Weit von den Verwandten, den anderen seiner Art, genoss Leviathan seine Freiheit von der Herde und ihren trägen Zyklen von Nahrungsaufnahme, Abstoßung und Wiederzusammenfügung.
Für menschliche Sinne mochte der grenzenlose Ozean undurchdringlich dunkel, vernichtend heiß und zermalmend dicht sein, doch Leviathan bewegte sich mit Leichtigkeit durch die Tiefen, die geißeiförmigen Flagellenmitglieder seiner Vereinigung trieben ihn mit gleichmäßigen Schlägen vorwärts, während seine Mundwerkzeuge sich im uralten Rhythmus der
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