Jura für Kids - eine etwas andere Einführung in das Recht
heißt, dass die Macht vom Volk ausgeht: Das Volk bestimmt, was Recht ist. Und das Volk ist unsere Gemeinschaft, es sind wir alle – du, deine Eltern, die Bäckersfrau, deine Lehrerin und ihr Mann, dein Zahnarzt und der Müllmann. Jetzt kann man aber nicht jeden Einzelnen fragen, welche Gesetze erlassen werden sollen und mit welchen Gesetzen er einverstanden wäre. Das wäre sehr unpraktisch. Ständig würde jemand an der Tür klingeln und fragen: «Guten Tag, was meinen Sie: Sollen Autos auf der Autobahn so schnell fahren dürfen, wie sie wollen?» Da würde der Eine sagen: «Ja, das wäre eine super Sache, man kommt heutzutage nicht recht voran.» Und der Nächste würde sagen: «Nein, auf keinen Fall, diese rücksichtslosen Autofahrer sollten eins hinter die Ohren kriegen.» Und der Dritte würde sagen: »Ist mir egal, ich fahre sowieso nur Fahrrad.»
Es können also nicht alle Menschen dauernd über Regeln diskutieren und neue Regeln beschließen. Daher wählen die Mitglieder einer großen Gemeinschaft, in unserem Fall die Bürger von Deutschland, einzelne Mitglieder aus, die alle anderen bei der Schaffung von Regeln vertreten. Diese gewählten Mitglieder nennt man Volksvertreter. Volksvertreter deshalb, weil sie bei ihrer Arbeit das gesamte Volk vertreten. Ihr Beruf ist es, über Regeln zu diskutieren und Regeln zu beschließen. Die Regeln, die sie machen, sind Gesetze.
Deine Mutter nimmt ein Blatt Papier und schreibt auf, welche Regeln sie wichtig findet. Eine davon ist die Regel, dass leere Limoflaschen in die Kiste gestellt werden müssen. Eine weitere ist, dass man Musik nur leise hören darf. Werner, einer der neuen Inselbewohner, liest sich die Regeln deiner Mutter durch. «Alles Quatsch», sagt er, «du hast hier gar nichts zu sagen.»
Werner hat Recht. Niemand hat deiner Mutter das Recht gegeben, Regeln aufzustellen, an die sich alle halten müssen. Deshalb würden die Inselbewohner diese Regeln nicht beachten.
Werner ruft eine Versammlung ein. Alle Inselbewohner sollen nach Sonnenuntergang am Bootssteg erscheinen. Als alle da sind, fragt er: «Leute, wer soll hier die Regeln machen? Sie (er meint deine Mutter) oder ich?» Mehr als die Hälfte stimmt für deine Mutter. Werner ist enttäuscht, kann es aber nicht ändern.
Deine Mutter ist jetzt Volksvertreterin, sie vertritt das Inselvolk. Die «Gesetze», die sie macht, gelten für alle Inselbewohner.
4. So sehen Gesetze aus
Gesetze werden nicht nur auf ein Blatt Papier geschrieben. In Ländern wie Deutschland gibt es ein bestimmtes Verfahren, nach dem Gesetze erlassen werden. Dieses Verfahren sehen wir uns im nächsten Kapitel näher an.
Auf eurer Insel gibt es kein bestimmtes Verfahren für den Erlass von Gesetzen. Und weil deine Mutter die einzige Volksvertreterin ist, muss sie neue Gesetze auch mit niemandem diskutieren und muss sich mit niemandem einigen. Deine Mutter schreibt also einfach auf einen Zettel, welche Regeln sie wichtig findet. Dann befestigt sie den Zettel für alle sichtbar an einer Palme. So erlässt deine Mutter als Vertreterin des ganzen Inselvolkes ihr erstes Gesetz:
G esetz zur Erhaltung der S auberkeit der Insel und zum Schutze der G esundheit ihrer Bewohner (GSG) vom 20. November 2012:
§1. Leere Flaschen. Leere Flaschen müssen in die Getränkekiste gestellt werden.
§2. Behandlung von Müll. Müll muss in die Körbe am Strand geworfen werden. Auch Bananenschalen sind Müll.
§3 Musik. Nach Sonnenuntergang darf nur so laut Musik gehört werden, dass kein anderer Bewohner gestört wird.
§4 Surfbretter. Surfbretter müssen an der Bootsanlegestelle festgemacht werden.
§5 Strafe. Wer sich dreimal nicht an die Vorschriften in §1 bis §4 hält, muss zur Strafe die Insel verlassen.
Das Zeichen «§» steht für das Wort «Paragraf». So nennt man in Gesetzen die einzelnen Regeln. Anstatt «Regel Nr. 1» sagt man also § 1.
Was passiert eigentlich, wenn deine Mutter Gesetze erlässt, die niemandem gefallen und die die meisten Inselbewohnern für falsch halten? Dann gelten die Gesetze trotzdem und müssen von allen Inselbewohnern beachtet werden. Wenn jeder für sich selbst bestimmen würde, ob er ein Gesetz gut findet und beachten möchte, würde ein Chaos ausbrechen. Das geordnete Zusammenleben, das Gesetze ja organisieren sollen, würde zusammenbrechen. Wenn die Inselbewohner die Gesetze deiner Mutter für falsch halten, haben sie nur die Möglichkeit, deine Mutter abzuwählen und einen neuen Volksvertreter zu
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