Jurassic Park
den 60ern, Computermodelle des Wetters zu erstellen. Das Wetter ist das Ergebnis eines komplizierten Systems, nämlich der Interaktion der Erdatmosphäre mit der Landmasse und der Sonne. Das Verhalten dieses großen, komplizierten Systems hat sich unserem Verständnis bis jetzt widersetzt. Deshalb konnten wir das Wetter nicht voraussagen. Aber eins haben diese frühen Wissenschaftler aus ihren Computermodellen gelernt: Auch wenn man das Wetter verstehen würde, könnte man es doch nicht voraussagen. Eine Wettervorhersage ist absolut unmöglich. Der Grund liegt darin, daß das Verhalten des Systems auf sehr sensible Art abhängig ist von Anfangsbedingungen.«
»Da komme ich nicht mehr mit«, sagte Gennaro.
»Wenn ich mit einer Kanone eine Granate von einem bestimmten Gewicht mit einer bestimmten Geschwindigkeit und aus einem bestimmten Anstellwinkel heraus abfeuere - und wenn ich dann eine zweite Granate mit praktisch identischem Gewicht, identischer Geschwindigkeit und identischem Winkel abfeuere, was passiert dann?«
»Die beiden Granaten landen mehr oder weniger an derselben Stelle.«
»Richtig«, erwiderte Malcolm. »Das ist lineare Dynamik «
»Okay.«
»Aber wenn ich ein Wettersystem nehme mit einer bestimmten Temperatur, bestimmten Windverhältnissen und einer bestimmten Feuchtigkeit - und wenn ich es dann mit praktisch identischen Werten für Temperatur, Wind und Feuchtigkeit wiederhole, wird es sich nicht fast genauso verhalten wie das erste. Es wird abweichen und sehr schnell ganz, ganz anders werden. Gewitter statt Sonnenschein. Das ist nichtlineare Dynamik. Und die reagiert sehr sensibel auf Anfangsbedingungen: Winzige Abwei chungen werden verstärkt und bekommen immer mehr Bedeutung.«
»Ich glaube, ich verstehe jetzt«, sagte Gennaro.
»Kurz gesagt, ist das der ›Schmetterlingseffekt‹. Wenn in Peking ein Schmetterling mit den Flügeln schlägt, ändert sich in New York das Wetter.«
»Chaostheorie heißt dann also, daß alles zufällig und unberechenbar ist?« fragte Gennaro. »Ist es das?«
»Nein«, sagte Malcolm. »Wir haben innerhalb der komplexen Vielfalt des Verhaltens eines Systems tatsächlich verborgene Gesetzmäßigkeiten entdeckt. Deshalb wurde die Chaostheorie inzwischen zu einem vielseitigen Instrument, mit dem alle möglichen Phänomene untersucht werden können, von der Entwicklung des Börsenmarkts über randalierende Massen bis zur Hirnwellentätigkeit bei einem epileptischen Anfall: eben jedes komplexe System, in dem es Unordnung und Unberechenbarkeit gibt. Wir können eine zugrundeliegende Ordnung feststellen. Verstanden?«
»Verstanden«, erwiderte Gennaro. »Aber was ist diese zugrundeliegende Ordnung?«
»Die ist im wesentlichen charakterisiert durch die Bewegung des Systems innerhalb des Phasenraums«, antwortete Malcolm. »O Gott«, rief Gennaro, »ich wollte doch nur wissen, warum Sie glauben, daß Hammonds Insel nicht funktionieren kann.«
»Ich verstehe«, sagte Malcolm, »aber dazu komme ich noch. Die Chaostheorie besagt zwei Dinge. Erstens, daß komplexe Systeme wie das Wetter eine zugrundeliegende Ordnung besitzen. Zweitens, in Umkehrung von erstens, daß einfache Systeme ein komplexes Verhalten hervorbringen können. Wie zum Beispiel beim Billard.« Gennaro nickte.
»Sie stoßen eine Kugel, und die prallt von den Banden ab. In der Theorie ist das ein ziemlich einfaches System, fast schon ein Newton'sches. Da man die auf die Kugel wirkende Kraft und die Masse der Kugel kennt, und die Winkel, in denen sie auf den Banden auftrifft, berechnen kann, kann man das Verhalten der Kugel unendlich vorausberechnen, oder? Mal angenommen, es gäbe keine Reibung, die die Kugel stoppt. Theoretisch könnte man also weit in die Zukunft voraussagen, auf welche Art die Banden die Kugeln reflektieren.«
»Okay.« Gennaro nickte.
»Aber in Wirklichkeit«, fuhr Malcolm fort, »kann man ihr Verhalten nur wenige Sekunden in die Zukunft voraussagen. Weil fast augenblicklich sehr kleine Einflüsse - Unregelmäßigkeiten in der Oberfläche der Kugel, winzige Dellen im Holz des Tisches - die ganze Sache zu verändern beginnen. Und es dauert nicht lange, bis diese Einflüsse Ihre ganzen sorgfältigen Berechnungen über den Haufen werfen. So zeigt es sich, daß dieses einfache System einer Billardkugel auf einem Tisch ein unberechenbares Verhalten hat.«
»Okay.«
»Und Hammonds Projekt ist auch so ein einfaches System - Tiere in einer Zooumgebung-, das irgendwann ein
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