Jurassic Park
einer schwarzen Hose anziehen.«
»Aber finden Sie es nicht langweilig, nur zwei Farben zu tragen?«
»Ganz im Gegenteil. Ich finde es befreiend. Ich glaube nämlich, daß mein Leben einen Wert hat, und ich will es nicht damit vergeuden, mir Gedanken über Kleidung zu machen«, entgegnete Malcolm. »Ich will nicht darüber nachdenken, was ich am nächsten Morgen anziehen werde. Mal ehrlich, können Sie sich etwas Langweiligeres als Mode vorstellen? Na, vielleicht noch Profisport. Erwachsene Männer, die nach kleinen Ballen schlagen, während der Rest der Welt Geld zahlt, damit er applaudieren darf. Aber alles in allem finde ich Mode noch fader als Sport.«
»Dr. Malcolm«, erklärte Hammond, »ist ein Mann starker Überzeugungen.«
»Aber Sie müssen doch zugeben«, sagte Malcolm, »daß dies nichttriviale Themen sind. Wir leben in einer Welt voller entsetzlicher Determiniertheiten. Es ist vorherbestimmt, daß Sie sich so und so verhalten werden, vorherbestimmt, daß Sie sich wegen diesem und jenem Gedanken machen. Niemand denkt über diese Determiniertheit nach. Ist das nicht erstaunlich? In der Informationsgesellschaft denkt niemand mehr. Wir haben geglaubt, wir würden das Papier abschaffen, aber eigentlich haben wir das Denken abgeschafft.«
Hammond drehte sich zu Gennaro um und hob die Hände. »Sie haben ihn eingeladen.«
»Seien Sie bloß froh«, sagte Malcolm. »Es klingt nämlich so, als hätten Sie ein ernsthaftes Problem.«
»Wir haben kein Problem«, entgegnete Hammond schnell. »Ich habe doch immer die Ansicht vertreten, daß dieses Inselprojekt nie funktionieren kann«, sagte Malcolm. »Ich habe es von Anfang an vorausgesagt.« Er griff in seine Lederaktentasche. »Und ich meine, wir alle wissen inzwischen, wie die Sache schließlich enden wird. Sie werden das Projekt abbrechen müssen.«
»Abbrechen!« Hammond stand wütend auf. »Das ist ja lächerlich.« Malcolm zuckte die Achseln; Hammonds Aufregung ließ ihn unbeeindruckt. »Ich habe Ihnen Kopien meines ursprünglichen Papers mitgebracht, damit Sie sie sich ansehen können«, sagte er. »Das Gutachten, das ich am Anfang für InGen angefertigt habe. Die Gleichungen sind ein bißchen kompliziert, aber ich kann sie Ihnen ja erklären. Wo wollen Sie denn hin?«
»Ich muß telefonieren«, sagte Hammond und ging in die angrenzende Kabine.
»Na, es wird ein langer Flug«, sagte Malcolm zu den anderen. »Da wird Ihnen mein Paper wenigstens ein bißchen die Zeit vertreiben.«
Die Maschine flog durch die Nacht.
Grant wußte, daß Ian Malcolm nicht wenige Kritiker hatte, und er konnte verstehen, warum einige seinen Stil zu schroff und seine Anwendung der Chaostheorie zu oberflächlich fanden. Grant blätterte in den Kopien und überflog die Gleichungen.
Gennaro sagte: »In Ihrem Paper kommen Sie also zu dem Schluß, daß Hammonds Insel zwangsläufig scheitern muß?«
»Korrekt.«
»Wegen der Chaostheorie?«
»Korrekt. Um es präziser zu sagen, wegen des Verhaltens des Systems im Phasenraum.«
Gennaro warf das Paper beiseite und sagte: »Können Sie das auch so erklären, daß man es versteht?«
»Klar«, erwiderte Malcolm. »Mal sehen, wo wir anfangen müssen. Wissen Sie, was eine nichtlineare Gleichung ist?«
»Nein.«
»Seltsame Attraktoren?«
»Nein.«
»Also gut«, sagte Malcolm. »Dann ganz von Anfang an.« Er hielt inne und starrte zur Decke. »Die Physik ist sehr erfolgreich bei der Beschreibung gewisser Arten von Verhalten: Planeten in ihrer Umlaufbahn, Raumschiffe, die zum Mond fliegen, Pendel und Sprungfedern und rollende Bälle, solche Sachen eben. Die regelmäßigen Bewegungen von Gegenständen. Die werden mit den sogenannten linearen Gleichungen beschrieben, und wir Mathematiker können diese Gleichungen sehr leicht lösen. Das haben wir seit Hunderten von Jahren getan.«
»Okay«, sagte Gennaro.
»Aber es gibt noch eine andere Art von Verhalten, bei der die Physik ziemlich dumm dasteht. Alles, was mit Turbulenz zu tun hat, zum Beispiel. Wasser, das aus einem Hahn fließt. Luft, die sich über eine Tragfläche bewegt. Das Wetter. Blut, das durch das Herz strömt. Turbulenzen werden mit nichtlinearen Gleichungen beschrieben. Die sind schwer zu lösen, genaugenommen sind sie normalerweise gar nicht zu lösen. Deshalb hat die Physik diese ganze Klasse von Ereignissen nie verstanden. Bis vor etwa zehn Jahren. Die neue Theorie, die sie beschreibt, heißt Chaostheorie. Die Chaostheorie entstand ursprünglich aus Versuchen in
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