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Justiz

Justiz

Titel: Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Benno und dann Daphne auf sie geworfen, habe sie als einzige Waffe die Lust überwältigt, sie habe geschrien und geschrien, und ihre Lust sei umso unermeßlicher gewesen, desto qualvoller der Blick des Wesens geworden sei. Es habe am ganzen Leib gezittert, in seinem Blick sei ein grenzenloser Neid gewesen, als ob es das Unglück geschüttelt hätte, von der Lust ausgeschlossen zu sein, die Hélène empfunden habe, die auf seinen Befehl von seinen Kreaturen vergewaltigt worden sei, bis das Wesen in höchstem Entsetzen geschrien habe:
    »Aufhören!« und in ein Schluchzen ausgebrochen sei. Hélène sei losgelassen, das Wesen hinausgetragen worden, und sie habe sich allein im Kabinett befunden. Sie habe ihre Kleider zusammengesammelt, in der Halle sei noch Glut im Kamin gewesen, dann sei sie durch die Vorhalle getappt, und durch den stockdunklen Park hinab habe sie das Portal erreicht. Es sei unverschlossen gewesen, endete sie ihren Bericht, und sie sei nach Hause geradelt.
    Sie schwieg. Ob ich schockiert sei, fragte sie dann. »Nein«, sagte ich, »aber noch etwas Cognac wäre schon das richtige.« Sie schenkte mir und sich ein. Zurückgekehrt, sagte sie, sei ihr Vater noch im Arbeitszimmer gewesen. Am Schreibtisch. Er habe sie kaum 161
    angeschaut.
    Sie habe ihm alles erzählt. Dann sei er zum Billardtisch gegangen und habe zu spielen begonnen. Was sie noch wolle, habe er gefragt.
    Rache, habe sie geantwortet. »Vergiß das Ganze«, habe ihr Väter gesagt. Aber sie habe auf Rache bestanden. Er habe das Spiel unterbrochen und sie angeschaut. Er hatte ihr den Rat gegeben, nicht hinzugehen, und sie sei hingegangen. Ihre Sache. Kein Rat müsse befolgt werden, sonst wäre es ein Befehl. Was geschehen sei, sei unwichtig, weil es geschehen sei. Man müsse Geschehenes von sich schütteln, wer nie vergessen könne, werfe sich der Zeit entgegen und werde zermalmt. Sie wolle sich aber rächen, habe sie geantwortet.
    »Mein Kind«, sagte ihr Vater, und es sei das einzige Mal gewesen, daß er sie so genannt habe, was er vorgebracht habe, sei auch nur ein Rat gewesen. Sie wolle die Rache haben, schön, sie solle die Rache haben. Seine Sache. Dann habe er vier Kugeln auf den Billardtisch gesetzt und zugestoßen, nur einmal, zuerst eine Kugel an die Bande, von dort sei sie zurückgekommen und habe eine Kugel in die
    »Tasche« gestoßen, Winter, habe ihr Vater gesagt, als die nächste Kugel in einer Tasche verschwunden sei, Benno, dann Daphne, und als er Steiermann gesagt habe, sei der Tisch leer gewesen. Und sie?
    habe sie gefragt. Sie sei das Queue, habe er geantwortet. Er werde sie nur einmal brauchen. Was mit ihnen geschehe, habe sie gefragt. »Sie werden sterben«, habe er geantwortet. In der Reihenfolge, wie er es angekündigt habe. Sie solle schlafen gehen, er habe noch zu arbeiten.
    Dieses Gespräch, fuhr sie etwas später fort, wir waren beim dritten Cognac, und aus dem Nebenzimmer war das Aufeinanderprallen der Billardbälle zu hören, dieses Gespräch sei ihr noch unheimlicher in Erinnerung, als was vorher im ›Mon Repos‹ geschehen sei, sie hätte in ihrem Zimmer das Licht gelöscht und lange in dieser endlosen Nacht die unbarmherzigen Sterne betrachtet, denen es gleichgültig sei, ob es auf der unsäglichen Nichtigkeit, die unsere Erde darstelle, Leben gebe oder nicht, geschweige denn menschliche Schicksale, und da sei ihr der Argwohn gekommen, ihr Vater hatte gewollt, daß sie hinginge, und damit gerechnet, daß ihre Neugier sie verführe.
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    Aber warum hatte die Zwergin sie ausgewählt? War mit ihrer Demütigung sie, Hélène, oder ihr Vater gemeint? Wenn ihr Vater gemeint war, warum hatte er ihr, Hélène, zuerst abgeraten, sich zu rächen? Wollte er nur überlegen, ob er den Kampf aufnehmen solle oder nicht? Aber worum ging es in diesem Kampf? Wer stand wem gegenüber? Daß sich hinter dem Ziegeltrust, den ihr Vater immer spaßhalber erwähnte, noch andere, weit gewichtigere Unternehmen versteckten, und daß er hin und wieder vom Silikon sprach, dem die Zukunft gehöre, obgleich alle, die sie befragte, die Auskunft gaben, sie hätten keine Ahnung, was ihr Vater damit meinte, beunruhigte sie. War etwa zwischen ihm und Lüdewitz ein Machtkampf im Gange? War das, was an ihr geschehen war, nur ein Zeichen der Steiermann an ihren Vater, daß sie seine Einmischung nicht mehr dulde?
    Ich überlegte, was sie mir erzählt hatte. Eines sei mir nicht klar, sagte ich, ihr Vater habe in München seinen Mord erzählt, gut,

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