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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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Deltoide auf, um sich dann über den ganzen Teppich zu verteilen.

    Serge blickt zum Fenster, dann auf die Weißwandtafel, auf der weitere geometrische Figuren zu sehen sind: Reihen runder Formen, durch die sich Linien ziehen. Die Formen ändern sich leicht mit jeder Wiederholung, die Kurven werden schmaler oder enger, die Linien krümmen und biegen sich in ihrem Verlauf über das Glas. Serge senkt erneut den Blick und richtet die Aufmerksamkeit auf einen Spielzeugsoldaten, der bis zu diesem Moment neben seinem Oberschenkel gelegen hat. Er greift danach und hält ihn sich ans Gesicht. Der in eine unbestimmte Ferne gerichtete Blick des Soldaten wirkt neutral, der Mund zeigt einen ruhigen, stillen Ausdruck und lässt nur die kleinste Andeutung eines Lächelns erkennen. Serge legt den Soldaten mit der Vorderseite nach oben auf den Teppich und streicht einige Fasern beiseite, um eine Kuhle zu schaffen, in die er rücklings die Figur schmiegt. Dicke Fasern umschlängeln und umschließen den Soldaten von allen Seiten. Serge nimmt ein Holzklötzchen, hält es über die Figur, hebt die Hand und hämmert es dem Soldaten dann mit aller Kraft ins Gesicht. Als das vergleichsweise große Klötzchen die Figur trifft, zucken Beine und Füße nach oben. Serge hebt den Würfel an und lässt ihn erneut auf das Gesicht des Soldaten niederkrachen, wieder und wieder. Nachdem er lang genug gehämmert hat, greift er nach dem Soldaten, um den Schaden zu begutachten. Die Augen schauen ungerührt, der Blick immer noch vage und in eine unbestimmte Ferne gerichtet, doch der Mund hat sich verformt, der Gips ist eingedellt, einige Stücke sind abgesplittert. Serge kratzt mit dem Daumen an der zermalmten Stelle und pult weitere Gipsflocken ab. Dann sagt er zu niemand Bestimmtem, denn er ist ja allein: »Bodner.«
    Behutsam legt er den Soldaten auf den Teppich zurück und lehnt ihn in sitzender Haltung an den Holzklotz, mit dem er gerade erst malträtiert wurde. Serge langt nach einem zweiten
Klotz, als er vom überstürzten Auftritt der Hauskatze abgelenkt wird, der dicht auf dem Schwanz seine ältere Schwester Sophie folgt. Halb läuft, halb hüpft Sophie ins Zimmer und reckt dabei die geballten Fäuste. Dann stellt sie sich zwischen Katze und Tür, streckt die Hände nach dem Tier aus und singt: »Spitalfield, ach, Spitalfield!«
    Die Katze verzieht sich unter das Fenstersofa. Sophie bückt sich, kriecht ihr nach und öffnet die Hände, um ihr die darin warm geborgenen, kleinen, weißen Larvenknäuel zu zeigen.
    »Probier doch mal, Spitalfield«, schnurrt sie und hält der Katze die Knäuel verlockend nah unter die Nase. Die Katze wendet den Kopf ab, duckt sich unter den Händen durch, bricht aus der Deckung und flitzt aus dem Zimmer. Sophie seufzt, legt die Larven auf ein Sofakissen und dreht sich zu Serge um. Dann greift sie sich drei, vier Klötzchen vom Teppich, breitet sie vor sich aus, kniet sich dahinter, hebt den Rock, bedeckt die Bilder und sagt: »Wenn du weißt, wo was liegt, gebe ich dir mein Taschengeld. Wenn nicht, bist du mir was schuldig.«
    Doch Serge hat keine Lust auf dieses Spiel, fasst ihr zwischen die Beine und drückt die Finger in den gefältelten Stoff. Sie packt ihn am Handgelenk und zieht die Finger wieder vor. »Verloren!«, krakeelt sie. »Runter mit der Hose!«
    »Nein!«, faucht Serge, aber Sophie ist stärker. Sie schlingt den Arm um ihn, hievt ihn auf die Füße und reißt ihm, noch immer kniend, die Hose bis zu den Knien herunter. Er windet sich, als sie ihm auch noch die Unterhose auszieht.
    »Aha!«, triumphiert sie. »Und jetzt telegraphieren wir der Admiralität.« Sie hält ihn fest und beginnt, mit dem Zeigefinger an seinen kleinen Penis zu tippen. »›Werter Herr, bitte schickt Verstärkung‹, poch-poch-poch . ›Feind zahlenmäßig deutlich überlegen‹, poch-poch . ›Halten aus, fürchten ohne Entsatz aber baldige Kapitulation‹, poch-poch-poch. «

    »Hör auf!«, schreit Serge.
    »Warum? Ich habe gesehen, wie Miss Hubbard es getan hat. Mit dem Mann aus Lydium. ›Werter Herr aus Lydium‹, poch-poch, › bitte schickt mehr Kohlestifte und Schwämme für unsere Klasse‹, tipp-tipp. ›Wetter gut, aber für morgen ist Regen angesagt‹, tippe-di-tipp . Siehst du? Jetzt lachst du.«
    »Nein, tu ich nicht!«, schreit Serge und versucht, sich ihr zu entziehen. Schließlich kann er sich losreißen. Sophie greift halbherzig nach ihm, doch er stößt ihre Hände fort. Kaum ist er in sicherer Entfernung,

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