K
schiebt den Wagen zur Bank, bleibt stehen und schmiegt sich an die Beine seiner Mutter, die etwas, wenn auch nur wenig nachgeben. Er sieht ihr ins Gesicht: Sie starrt auf eine Stelle irgendwo hinter den Büschen und Bäumen. Er klettert auf die Bank und rüttelt an ihren Schultern. Sie senkt den Blick, und ihre Augen sind wie Honig, warm und trüb. Sie lächelt durch ihn hindurch in Richtung Boden oder auf irgendwas darunter. Serge tunkt einen Finger ins Honigglas,
zieht ihn wieder heraus, steckt ihn sich in den Mund, dreht den Finger und schmiert sich Honig an die Innenseite der Wangen. Zwischen Glas und Phiole ist auf der Bank ein klebriger Fleck, auf dem eine Wespe gelandet ist. Mit nadelscharfen Mandibeln saugt sie den Sirup auf. Die Beine sind durch die Oberfläche gebrochen, und sie versucht, sich aus dem Honig zu befreien, strampelt, steckt aber schon zu tief drin; die Mandibeln hören derweil nicht auf zu saugen. Serge beobachtet die Wespe eine Zeit lang, dann nimmt er die Phiole, presst sie auf den Wespenleib und zertrennt das Tier mit der Fläschchenkante dort, wo der Brustkorb in den Unterleib übergeht. Die Beine strampeln weiter, und die Mandibeln saugen noch, obwohl die Körperteile nicht mehr verbunden sind. Der Brustkorb bebt, wird steif und regt sich nicht mehr. Serge greift nach der Lenkstange und zieht wieder los.
Lichtflecken betüpfeln seine Schultern, als er unter knospenden Kastanien dahintrottet. Schließlich kommt er an den Fluss, der den Krypta-Park an der dem Haus fernsten Seite säumt. Am anderen Flussufer sieht er auf dem Arcady Field Schafe weiden, die kleiner scheinen, je höher das Land zum Telegraph Hill ansteigt. Serge sammelt die Klötzchen ein, hält sie wieder in der linken Armbeuge und nähert sich dem Fluss. Dicht am Wasser geht er in die Hocke und sieht das Spiegelbild des ansteigenden Telegraph Hill und den strahlenden Himmel darüber. Er beugt sich vor und erhascht einen Blick auf die eigene Stirn, auf seine Augen, seine Nase, den Mund. Dann nimmt er ein Klötzchen vom linken Arm und platziert es behutsam auf der Wasseroberfläche. Das Klötzchen schwimmt. Er stippt es mit dem Finger an, und es sinkt, dann flutscht es wieder nach oben. Ein Fußballspieler im Profil ist zu sehen. Er stupst das Klötzchen seitlich an, damit es sich im Wasser dreht; es sinkt und wirbelt wieder hoch; als es sich beruhigt, zeigt die Oberseite ein einsames Dreieck. Serge lässt
ein zweites Klötzchen schwimmen, dann ein drittes. Wenn er sie anstupst, treiben sie weiter vom Ufer fort. Er beugt sich vor, streckt sich, bis sich sein ganzer Oberkörper im Wasser spiegelt, sogar die Knie; der blaue Himmel kreiselt über ihm wie ein sich drehender Deckel…
Und dann ist er drin, dreht sich und wirbelt herum wie die Klötzchen, während ihm Wasser in die Nase dringt und in der Kehle brennt. Die Hände wühlen in schleimigem Schlamm, und er treibt wieder nach oben, das Gesicht an der Luft, die Beine unten. Er schnappt nach den Klötzchen, doch die stieben davon und versinken unter platschenden Händen. Er will atmen, aber der Durchzug ist versperrt; er gibt nur eine Art langgezogenes Keuchen von sich, das in ein Prusten übergeht, dann schluckt er, und der Kopf versinkt erneut. Unter Wasser öffnet er die Augen. Es ist hell und zugleich trüb, so wie Honig. Farnwedel schlängeln sich und tanzen in lichtdurchfluteter Dunkelheit, dazwischen schweben Schlammpartikel, zu Blütenbaldachinen aufgewühlt. Das Wasser ist in ihm, und es ist nicht mehr eklig, nur kalt. Er sinkt nicht länger; im Gegenteil, er wird emporgezogen, gehalten von starken Armen, die ihn umschlingen, ihn an sich drücken…
Dann spürt er ein Gewicht, etwas presst ihm die Brust zusammen, und Wasser schießt aus seinem Mund, um im hohen Bogen ins schlammige Gras zu spritzen. Er liegt am Ufer, und Maureen kniet über ihm und pumpt. Er gibt Wasser von sich, keucht, hustet, erbricht noch mehr und keucht erneut; als er wieder Luft bekommt, liegt er einfach nur still da und atmet. Zwischen ihm und dem Himmel hängt Maureens Gesicht; es starrt ihn an; sie schluchzt. Er starrt verwirrt zurück: Aus diesem Blickwinkel sehen Mund und Augen komisch aus, so rot und dick. Sie schließt die Augen und schreit auf, dann reißt sie ihn in die Arme und drückt ihn an die Brust, sodass er wieder kaum noch Luft bekommt. Er entzieht
sich ihrem Griff, rappelt sich auf und geht zurück zum Leiterwagen – doch sie hebt ihn hoch, ehe er ihn erreichen kann,
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