K
die Atome, mit denen sie an wissenschaftlicher Schwerkraft zulegte. Dann aber hält sie inne, kichert erneut und sagt: »Ja, ja, ist ja gut, Yafe: Tilly geht jetzt zurück. Soll der Tisch-tratsch übernehmen. Sie kriegt jetzt Bonbons, denn sie hat es getan, und sie hat gesagt, sie kriegt welche, wenn sie es tut.«
Wieder zischt statisches Rauschen durch Miss Dobais Lippen; dann schließt sie die Lider über ihre hochgerollten Augäpfel, sinkt auf dem Stuhl zusammen und bleibt scheinbar bewusstlos sitzen. Das Publikum verhält sich mucksmäuschenstill und wartet ab, was nun geschieht. Der Sitzungsleiter macht den nächsten Schritt. Er erhebt sich von seinem Stuhl und wendet sich ans Publikum: »Liebe Freunde, das Kanalisieren hat Miss Dobai ziemlich angestrengt, doch verrät ihr komatöser Zustand, dass sie auch weiterhin empfangsbereit ist. Wie die Kontrollpersönlichkeit nahelegte, werden wir mit Ihrer Hilfe nun zum Tischrücken übergehen.«
Er tritt an den großen runden Tisch, hinter dem Miss Dobai zusammengesunken sitzt, legt eine Hand darauf und fährt fort: »Um jeden Verdacht auszuräumen, dass dieser Tisch etwa auf mechanische Weise bewegt wird, möchte ich als Erstes jemanden aus dem Publikum bitten, vorzugsweise einen Mann, dass er auf die Bühne kommt und mir hilft.«
Nach kurzer Pause erhebt sich vorn ein Mann von seinem Stuhl, steigt auf die Bühne und fasst die Tischkante an, während der Sitzungsleiter dessen dicken Fuß umschlingt und das ganze Ding vom Boden hebt. Zu zweit tragen sie den Tisch einmal rund um die Bühne.
»Sie sehen«, verkündet der Leiter dem Publikum noch ein wenig außer Atem, »keine Schnüre oder Drähte, aber auch sonst kein Mechanismus, der diesen Gegenstand mit einer Stelle verbindet, von der aus die Bewegungen mittels Hebel oder Schalter beeinflusst werden könnten.«
Er bedeutet dem Freiwilligen, den Tisch wieder an seinen ursprünglichen Platz zu stellen. Kaum ist dies geschehen, sagt er dem Freiwilligen, der gerade von der Bühne abgehen will: »Wenn Sie mögen, mein Herr, dürfen Sie auch gern bleiben – gleich dort, neben der Tafel.« Er weist ihm einen Platz zwischen dem Tisch und seiner eigenen Position auf der rechten Bühnenseite zu, direkt vor der aufgeständerten Tafel, ehe er fortfährt: »Und wenn sich nun ein zweiter Freiwilliger – oder auch eine Freiwillige – bereitfände …«
Zwei Leute erheben sich, ein Mann und eine Frau.
»Nehmen wir diesmal die Dame«, sagt er. »Ihre Aufgabe, Madam«, schließt er dann an, während er ihre Hand nimmt und sie auf die Bühne zur Sekretärin führt, »besteht darin, die Buchstaben des Alphabets langsam und deutlich in korrekter Reihenfolge aufzusagen. Sollte sich zu irgendeinem Zeitpunkt der Tisch bewegen, hören Sie auf; und der Gentleman hier wird den zuletzt genannten Buchstaben an die Tafel schreiben.
Danach beginnen Sie erneut, das Alphabet aufzusagen, wobei Sie wiederum mit A anfangen. Haben Sie das verstanden?«
Beide, Herr und Dame, nicken. Der Veranstaltungsleiter geht zurück an seinen Platz auf der rechten Bühnenhälfte, wirft einen Blick über die inzwischen recht bevölkerte Bühne – der Herr an der Tafel mit einem Stück Kreide in der Hand, das scheinbar schlafende Medium hinter dem Tisch, die mausgraue Sekretärin an ihrem Pult sowie die nervöse Dame an ihrer Seite – und weist dann Letztere zufrieden an, sie möge beginnen. Mit errötendem Gesicht sagt sie: »A, B, C, D …«
Serges Blick wandert zwischen dem Tisch und Miss Dobai hin und her. Beide wirken vollkommen reglos. Die nervöse Dame fährt im Alphabet fort: »E, F, G, H …«
Nichts passiert. Als sie jedoch L sagt, ruckelt der Tisch – unübersehbar, ein eindeutiges Vorwärtskippen in Richtung Publikum, das verblüfft aufstöhnt.
»Schreiben Sie auf«, weist der Veranstaltungsleiter den Mann an der Tafel an. Er tut wie geheißen und schreibt in die obere linke Ecke ein L. Der Tisch kippt zurück, bis er wieder gerade steht.
»Wie kann das sein?«, fragt Serge. Das Kribbeln wird immer stärker. Es gleicht keinem Gefühl, das er je empfunden hat, und es ist nicht angenehm, ein beinahe widerwärtiges Kribbeln, fast, als würde ihm etwas gespritzt, das irgendwie nicht ganz richtig ist.
»Pssst!«, flüstert Audrey. »Schau einfach hin.«
Die nervöse Dame reißt sich zusammen und beginnt erneut: »A, B, C, D …«
Diesmal kippt der Tisch bei I. Dann bei E. Nach fünf Minuten steht auf der Tafel LIEBEÜBERWINTERTJEDEGRUFT.
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