Kabbala-Box (2 Romane in einem Band)
dem was Norbert gesagt hat, schlafe ich ein.
02:12 Der Mops röchelt und schnarcht so laut, dass ich aufwache. Ich atme tief durch und sage mit knurrenden Worten: „Leiser!“ Der Mops verschluckt sich beinahe an seiner eig enen Zunge und schnieft ein wenig. Er hat auch Kummer, wie mir scheint, und er tut mir in dem Augenblick leid. „Kummer habe ich auch“, sage ich zum Mops. Norberts Worte, alles loszulassen, um neu anzufangen, dringen nicht mehr zu mir durch.
03:18 Ich träume gerade vom Arzt. Wir liegen gemeinsam im Bett, unsere Decke ist ein Meer von Orchideenblüten. Wir küssen und lieben uns, und wenn wir die Gesichter aneinander re iben, kann ich sogar seinen Atem spüren. Unglaublich! So real hatte ich schon lange nicht mehr geträumt, denn ich rieche sogar den Mundgeruch, den der Arzt hat. Ekelhaft. Schlagartig öffne ich die Augen und sehe in zwei schwarze Kulleraugen und in ein offenes Maul, aus dem eine Zunge hängt. „Aaaarg“, rufe ich laut, „raus aus meinem Bett!“ Ich schmuse mit dem Mops. Igitt, denke ich mir. Den Hund hat es vor Schreck aus dem Bett geschmissen, während des Sprungs hat er sogar gefurzt. Das kann nicht jeder.
Kap -itel* 3
Der Wecker läutet, ich stehe auf. Auf meinem Handy sind drei Nachrichten.
Schwester: Danke Spatz-Spatz, hab dich auch lieb. Freu mich dich zu sehen .
Samuel , bester Freund: ja geil, am wochenende, ich komme zu 100% fix shit! und immer daran denken: ich bin für dich da.
Nora, b este Freundin: WE geht nicht, bin unterwegs, aber nächstes Weekend geht. Ciao.
Schnell schreibe ich ihnen zurück. Der Mops verfolgt mich in meiner Wohnung.
Wie immer ziehe ich mir meine Laufschuhe an, auch das beobachtet das haarige Ungetüm akribisch. Wie heißt der Mops überhaupt?
Nach und während dem Laufen fühle ich meinen Körper besonders intensiv, es tut gut ihn zu spüren. Ich muss raus. Es ist die gewohnte Strecke. Während ich die ersten Schritte Richtung St. Peter einschlage, frage ich mich, was wohl das beste Erlebnis des gestrigen Tages war. Ich muss lachen: Es war der Fick oder das Gespräch. Ich bin etwas irritiert von meinen Gedanken, erhöhe das Tempo und muss mir eingestehen, dass ein einfacher Fick mir sehr gut getan hat oder das Gespräch? Bis dato kann ich mich nicht beklagen, zu wenige Ficks gehabt zu haben – aber zu wenig Gespräche! Und bevor ich das Haus der Arztfamilie erreiche, denke ich an das schrecklichste Erlebnis von gestern und mir kommt der Mops in den Sinn, der mich überfallen hat. Danach möchte ich meine Gedanken an meine Sexwünsche verschwenden. Unersättlich. Das ist das Wort, das mir dabei einfällt. Ich hatte tolle Erlebnisse mit meinem Arzt, ich spreche leise seinen Namen und weine. Schon wieder! Ich muss von vorne anfangen, ich muss die Geschichte von Beginn an durchdenken, begreifen und loslassen . (Das Wort kommt mir bekannt vor.) Und ich weiß in dem Augenblick, dass ich es schaffen kann. Einmal durchdenken, dann loslassen. Das kann man trainieren. Ich bin schon zu lange einsam, allein und dadurch beziehungsunfähig geworden. „Aufhören, aufhören“, sage ich und dann sage ich plötzlich: „Loslassen.“
Bevor ich meinen Arzt kennenlernte, hatte ich einen Freund gehabt, einen Biologen namens Walter, er war mein erster richtiger Partner gewesen. Wir empfanden viel für einander. Walter war weit über 40, ich Anfang 20. Er war von Kopf bis Fuß durchtrainiert, ich nicht. Sein Gesicht war wegen allzu vieler Hungerkuren zusammengefallen, faltig und knochig und ich war jung, schön und das Zentrum meines Gesichts war mein erotischer Kussmund.
Kurz bevor ich Walter kennenlernte, hatte er sich von seiner Langzeitbeziehung (einem gewissen Dr. Soundso) getrennt. Sein Ex-Freund hinterließ tiefe Wunden im Herzen des Biologen, so befüllte er jedes Mal ganze Sturzbäche mit seinen Tränen, wenn er von ihm erzählte. Dabei gestand er mir seine Liebe, seine Treue usw.
Ich war sehr verliebt und wurde dermaßen enttäuscht. Der Biologe gestand mir eines Mo rgens, nach einer durchweinten Nacht, sein Traumbild von einem Traummann, das er in einer Schublade zwischen seinen Unterhosen und Dildos versteckt hatte. Es war das neue BIPA-Model: jung, dünn … und jung und noch dünner in meiner jetzigen Vorstellung. „Ich wünschte du wärst ein kleiner, aktiver Amor!“, sagte der Biologe zu mir, lachte dabei und zischte mit den Zähnen. Zur Erklärung: Zu dieser Zeit wusste ich noch nicht so
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