Kabbala-Box (2 Romane in einem Band)
längst geschieden gewesen, und vertrugen sich eben nur gut; – eine echte Patchwork-Familie vom Feinsten sozusagen. Scheidung war für ihn ein Fremdwort und nach unserem Liebesgeständnis betrog er mich weiterhin mit Fremden an Österreichs Raststätten oder mit diversen Internetbekanntschaften. Dass ich körperlich gesund aus dieser Geschichte ausgestiegen bin, grenzt an ein wahres Wunder. Schon da hätte ich gehen sollen. Verschwinden. Aber wie? Ich war doch so verliebt – und ja, so wie es aussieht – bin ich es noch! Wir trafen uns also weiterhin und immer öfter im Keller seiner Ehefrau oder er kam zu mir in die Wohnung, aber auch nur dann, wenn ich alleine war. Zur damaligen Zeit wohnte ich mit zwei Mädels zusammen, sie hießen Julia und Anna. Beide hatten sich anfangs sehr über meine Liebelei gefreut, sahen aber recht bald, dass ich statt Freude entweder Liebeskummer oder Angst verspürte. Insgesamt sollte diese WG nur knapp ein Jahr bestehen. Anna wurde schwanger und Julia zahlte keine Miete mehr. Die pure Katastrophe. Deep Impact. Scheiße hoch drei.
Bei diesen Gedanken und Erinnerungen könnte ich aus der Haut fahren. Yoga hilft nicht mehr. Ich könnte einen dreifachen Mord begehen und anschließend im Kino eine Komödie mit Adam Sandler ansehen und noch immer würde mein Puls unter 180 fahren. – Alles zerfällt, die eingefrorenen Bilder, sie blähen sich zu Großaufnahmen auf, nehmen zuviel Speicherplatz weg und werden immer schwerer. Mein Gehirn ist mit den Erlebnissen rund um die Causa Wunderdoktor überlaufen, überspannt, überfüllt.
Der Gedanke nach Liebe kommt oft, er kommt und ich weiß, dass er wieder gehen muss. Kein Mensch liebt ewig und immer dieselbe Person. (Oder vielleicht doch?) Ich träume davon. Der Schmerz ist schier unvorstellbar, wenn eine Liebe wie eine Knospe entspringt, sich langsam aufbaut und dann doch wieder verwelkt, und das innerhalb weniger Sekunden – und ohne Vorwarnung!
Und da ich nur lieben kann, intensiv und mit Sehnsucht, entstand dieses G edicht:
Für dich!
Ich behüte dein Herz in mir,
mitten in meinem Herzen,
fest halte ich es,
wärmend schütze ich es.
Nie bin ich ohne es.
Wohin ich auch gehe,
es ist bei mir.
Und was von mir gemacht wird,
ist dein Werk, durch dein Herz.
Du bist mein Schatz.
Ich fürchte kein Unheil,
weil du es abwendest.
Ich will keine Welt ohne dich.
Nur dich, mein Schatz.
Du, mein Schicksal.
Hier ist das tiefste aller Geheimnisse,
das niemand kennt:
Es ist das Wunder eines Anfangs,
gleich dem Aufsprung einer Knospe.
Jetzt!
Ich trag dein Herz.
Ich trage es in meinem Herzen.
Tiefer, dort wo Liebe entsteht,
dort bist du. – Für immer!
In den Arzt hatte ich mich also verliebt, obwohl die Anzeichen von Verrücktheit, die ich allein durch seine Vorgänger schon hätte riechen müssen, deutlich zu erkennen waren. Ich verliebte mich trotzdem. Irgendwie. Irgendwann. Irgendwo.
Es ist schwer zu begreifen – auch für mich, ganz besonders für mich. Aber diese Liebe muss e inen Sinn erfüllt haben und diesen Sinn muss ich endlich in Erfahrung bringen, um ihn dann – wenn ich das Warum begriffen habe – loszulassen. (Schon wieder das Wort.) Und ich weiß, dass ich mich jetzt auf eine Reise begebe, eine Reise spiritueller Art. Und in der Zwischenzeit, bis es soweit ist, das Geheimnis zu lüften, werde ich mir das Herz aus der Hose ficken.
Langsam fängt es an zu regnen, typisch für diese Jahreszeit, typisch für das ganze Dilemma und ich laufe weiter. Ich möchte meinen Körper fit halten. Es tut mir gut zu wissen, schon am frühen Morgen Kalorien verbrannt zu haben; der Tag ist dann leichter zu bewältigen. Noch zwei Übe rquerungen und ich biege in die Theodor-Körner-Gasse ein. Dort wohnt die Familie des Arztes. Dort wohnt er.
Und wieder bleibe ich vor dem Haus stehen. Es regnet. In der Garage steht sein Auto, ein schwarzer Ford, davor noch ein Auto, ein schwarzer Kia. Ich gehe an den beiden Autos vorbei. Meine Finger berü hren das Haus, er ist in diesem Haus, ich möchte ihm nahe sein; wie schön wäre es bei ihm zu sein, in seiner Nähe, ihn zu spüren, und nicht seine aus der Vergangenheit stammende Verletztheit heilen zu müssen; wie schön wäre es neben ihm zu schlafen, als sein Partner, sein Lebensgefährte. Aber dieser Wunsch muss getilgt werden, radikal aus meinem Gedächtnis gestrichen werden. Ich beschließe radikal zu werden. Radikal von Radix
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