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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blum
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findet? Oder war es eher chaotisch, wie ein Teller Spaghetti oder die Londoner U-Bahn? Bisher hatte ich mir das Internet immer als etwas Organisches vorgestellt; nicht als etwas von Menschenhand geplantes, sondern eher wie einen Ameisenhügel oder einen Gebirgszug. Und plötzlich schienen seine Konstrukteure greifbar nahe, und es war keine zahllose Menge, sondern eine überschaubare Adressliste auf einem Laptop in Washington. Wer also waren diese Leute? Mit welchem Ziel haben sie ihre Netzwerke gebaut? Wo hat alles angefangen?

    8 The WPA Guide to Wisconsin , New York 1941, S. 247f.
    9 Eine hervorragende Analyse des YouTube-Ausfalls ist der Bericht The Day You-Tube Died der Renesys Corporation vom Juni 2008, http://www.renesys.com/tech/presentations/pdf/nanog43-hijack.pdf [06.02.2012].
Einen Song darüber findet man unter: http://www.renesys.com/blog/2008/04/the-day-the-youtube-died-1.shtml [06.02.2012].

2
Ein Netzwerk aus Netzwerken
    Ich wollte herausfinden, wo die Anfänge des Internets lagen, aber wie ich feststellen musste, war die Frage komplizierter als gedacht. Für eine Erfindung, die unseren Alltag derart prägt – und als Auslöser eines epochalen gesellschaftlichen Wandels auf der ganzen Welt gilt –, ist die Geschichte des Internets erstaunlich schlecht erforscht.
    Alle ernst zu nehmenden Versuche, diese Geschichte in Buchform zu erzählen, schienen 1999 veröffentlicht worden zu sein, als sei das Internet zu diesem Zeitpunkt »fertig« gewesen – als sei das Internet jemals »fertig«. Schlimmer noch: Jedes dieser Bücher schien von anderen Helden, Meilensteinen und Anfängen zu berichten. Die Geschichte des Internets war ebenso dezentralisiert wie das Netz selbst. Der Historiker Roy Rosenzweig kommentierte die Bemühungen seiner Kollegen 1998 so: »Dem Internet mangelt es an einer zentralen Gründungsfigur – an einem Thomas Edison oder einem Samuel F. B. Morse.« 10 Dass die Dinge nicht ganz so einfach lagen, hätte ich schon ahnen können, als die Autorin von Inventing the Internet , die als ausgewiesene Expertin auf diesem Gebiet gilt, gleich zu Beginn anmerkte, dass »die Geschichte des Internets einige Überraschungen bereithält und so manche weitverbreitete Annahme als Irrtum entlarvt«. 11 Ich kam mir vor wie ein ungeladener Gast auf einer Party, der nach dem Gastgeber sucht, und niemand weiß, wer es ist. Oder gab es vielleicht gar keinen Gastgeber? War es vielleicht eher eine philosophische Frage? Das Internet hatte ein Henne-und-Ei-Problem: Wenn das Internet ein Netzwerk aus Netzwerken war, dann brauchte man zwei Netzwerke, um von einem »Internet« zu sprechen. Aber wie konnte dann eines das erste sein?
    Sonderlich ermutigend war das alles nicht. Da machte man sich auf die Suche nach dem Echten, Konkreten und Nachprüfbaren, und dann wurde man an der Tür vom historiographischen Äquivalent einer endlosen Onlinediskussion empfangen. Ich brauchte eine engere Fragestellung, die mehr in Zeit und Ort verwurzelt war. Es ging um das Objekt. Was mich interessierte, waren »nicht Vorstellungen von dem Ding, sondern das Ding selbst«, wie Wallace Stevens schreibt. 12 Die Frage lautete nicht: Wo nahm das Internet seinen Anfang?, sondern: Wo stand der erste Kasten? Und wenigstens darauf gab es eine eindeutige Antwort.
    Im Sommer 1969 wurde an der University of California in Los Angeles ein sogenannter Interface Message Processor ( IMP ) aufgestellt. Dieser »Paketvermittlungsknoten« fiel in den Verantwortungsbereich eines jungen Professors namens Leonard Kleinrock. Heute ist Kleinrock nicht mehr ganz so jung, aber er hat immer noch dieses jungenhafte Lächeln – und eine Website, die den Eindruck macht, als seien Besucher willkommen. »Am besten kommen Sie mal bei mir im Büro vorbei«, antwortete er auf meine E-Mail. »Der Raum, in dem der IMP ursprünglich stand, ist nur ein paar Türen weiter.« Wir vereinbarten einen Termin. Aber erst als ich mich im Flugzeug nach Los Angeles, umringt von erschöpften Unternehmensberatern in zerknitterten Hemden und Möchtegern-Stars mit Sonnenbrille, in meinen engen Sitz zwängte, wurde mir die ganze Tragweite dieser Reise bewusst: Ich war dabei, dem Internet einen Besuch abzustatten. Ich war ein Pilger, der bereit war, dreitausend Meilen weit zu fliegen, um an einen Ort zu gelangen, den es im Grunde nur in seiner Phantasie gab. Und was erwartete ich dort zu finden? Was genau suchte ich?
    Wahrscheinlich kommt jeder Pilger früher oder später an diesen

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