Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
hindurch, sah, wie der Hubschrauber an Höhe begann. Er kam zu spät. Auch ohne sich zu vergewissern, wusste er, was geschehen war.
Zum Teufel
, dachte Bernhard und wandte sich ab.
Pass bloß auf dich auf!
Schiregion Kitzbühel, 3S-Bahn, Kabine 14
Sonntag, 7. Januar, 09:46 Uhr
Matteo hatte sich nach der erfolgreichen Attacke gegen Rüdiger erschöpft auf den Boden fallen lassen. Er saß gegen eine Sitzbank gelehnt und sog keuchend die Luft ein. Raphael war bewusstlos, aber er atmete. Schlimmer stand es um Sebastian. Sein Kehlkopf war durch Rüdigers Schlag eingedrückt. Er bekam kaum noch Luft und war der Ohnmacht nahe. „Wir müssen einen Luftröhrenschnitt machen!“, rief Emma.
„Wa’?“, nuschelte Matteo. „Du meins’ woh’ ’ne Koniotomie.“
„Verflucht, Matteo! Sebastian erstickt!“
Erst jetzt erkannte Matteo den Ernst der Lage. Sebastians Gesicht war hellblau angelaufen. Matteo stützte sich schwer auf seine Hände und robbte auf den Liftbediensteten zu. „Wir brauchen ein Skalpell“, murmelte er. „Irgendwas, um …“
„Henriks Messer“, entfuhr es Emma. Sie tastete am Boden danach und reichte die Klinge ihrem Mann weiter. Matteo zog die Stirn in Falten.
„Durchtrennen der
Ligamentum conicum
zwischen Ringknorpel und Schildknorpel“, brabbelte er wie ein schlecht einstudiertes Mantra.
Er setzte das Messer an Sebastians Hals an. Zögerte.
„Was ist?!“, rief Emma. „Tu es!“
Eine rasche Handbewegung, und Sebastian sog pfeifend frische Luft in seine Lungen.
Matteo legte den Kopf schief. „Ich hoffe, dass …“
Hinter ihm wuchs eine dunkle Gestalt empor.
*
Sandra und Michelle fingen an zu schreien. Matteo reagierte zu spät. Der Schischuh traf ihn am Hinterkopf und raubte ihm die Besinnung.
Rüdiger grinste. Es war ein dämonisches Lächeln. Blutiger Speichel troff aus seinem Mundwinkel, in seinen Augen loderte etwas, das schlimmer war als Wahnsinn. Aus weiter Ferne vernahm Emma den sich nähernden Helikopter. Er würde zu spät kommen.
„Du hast die Wahl“, sagte Rüdiger, an Emma gewandt. Seine Stimme war ruhig und auf unnatürliche Weise besänftigend und einlullend. „Entweder du springst freiwillig, oder ich muss nachhelfen. Alternativ könnte ich dir das Gift injizieren, das Martin getötet hat.“
Emmas Herzschlag glich mehr dem Dröhnen eines Presslufthammers als einem menschlichen Organ.
„Rüdiger, bitte …“, flüsterte sie mit erstickter Stimme. „Warum tust du das? Du hast doch keine Chance. Alle werden wissen, dass du es warst.“
Rüdiger lächelte humorlos. „Vielleicht werden sie das. Die Frage ist eher, ob sie mich zu Gesicht bekommen. Habe ich schon mal erwähnt, dass ich den Flugschein für Helikopter besitze? Nein? Man wird von einem tragischen Unglück ausgehen, wenn der Hubschrauber an einer Felswand zerschellt und in Flammen aufgeht. Die Einzelteile und Leichen weit verstreut, eine Person bleibt verschollen – Fallschirme sind schon eine feine Sache.“
Rüdiger grinste erneut und tat einen großen Schritt über Matteos bewegungslose Gestalt. Emma wich zurück, immer näher zu der weit geöffneten Tür der Gondel, durch die der Sturm blitzende Schneeflocken ins Innere der Kabine wirbelte.
„Du kannst nicht entkommen“, sagte Rüdiger gelassen. „Und es gibt keine Rettung für dich. Gib auf, Emma. Gib auf – und entscheide dich.“ Bei den letzten Worten wurde Rüdigers Stimme kalt und schneidend. Er trat einen weiteren Schritt auf Emma zu. Emma stolperte rückwärts, spürte, dass hinter ihr nichts mehr war, und langte hastig nach den Haltegriffen. Eine Sturmböe erfasste sie, zerzauste ihr das Haar. Mit einem Mal spürte sie eine Kälte in sich aufsteigen, intensiver und grausamer, als sie es je erlebt hatte.
Gabriel, mein Schutzengel
, flehte sie.
Wo bist du?
Keine Erwiderung. Emma stöhnte auf.
Rüdiger kicherte. Es war ein hoher, abgehackter Laut, erinnerte an das Meckern eines wahnsinnigen Ziegenbocks.
„Entscheide dich …“, säuselte er.
Eine verirrte Schneeflocke tanzte direkt vor Emmas Gesicht. Sie fixierte das zerbrechliche Gebilde, beobachtete den unbeschwerten Tanz des vergänglichen Eiskristalls.
Wie schön
, dachte sie und schloss die Augen.
*
Es war ein dumpfes
Plopp!
, wie ein Sektkorken, der aus der Glasflasche schoss. Emma hob zögernd die Lider. Rüdiger stand direkt vor ihr, keinen Schritt mehr entfernt. Seine Augen waren groß, seine Lippen schlaff. Auf seinen Zügen lag ein Ausdruck höchster
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