Kälteeinbruch (German Edition)
jetzt?», wollte Ole wissen.
«Egal, wie furchtbar das für mich ist, Ole, ich kann die Augen nicht einfach verschließen.»
«Ich weiß.» Ole nickte voller Verständnis. «Und es tut mir auch leid.» Er blickte zu Anton auf. «Entschuldige, dass ich dich da mit hineingezogen habe. Es tut mir so leid. Es tut mir so leid, Anton.»
Anton ließ den Blick wieder zu den Straßenlaternen wandern. Sah sie in raschem Tempo vorbeiziehen. «Das Schlimmste, was passieren konnte, ist passiert.»
Ole Kval schniefte. «Wie meinst du das?»
«Dass man mir den Fall übertragen hat. Wo ich dich von früher kenne und weiß, wie du tickst. Wärst du nämlich allein mit Nils gewesen und wir hätten nur das gewusst, was wir zu diesem Zeitpunkt tatsächlich wussten, dann könnte er sich glücklich schätzen, wenn er nur einen kleinen Anfall erlitten hätte. Nicht, dass du physisch auf ihn losgegangen wärst, aber du hättest ihn wesentlich härter in die Mangel genommen als ich. Denn bei so widerwärtigen Typen wie ihm haben wir exakt die gleiche Einstellung. So aber konntest du es nicht ertragen, dort zu stehen und zuzusehen, wie ich ihn drangsaliert habe, weil du daran denken musstest, dass Martin genau dasselbe durchgemacht hat wie Nils.»
Es herrschte Schweigen, bis Torp am Ulstens Vei 15 auf den Vorplatz einbog. Der Touran parkte noch immer hinter Oles Kombi.
«Was wollen wir hier?», fragte Kval. Inzwischen weinte er nicht mehr. Seine Augen waren rot und geschwollen.
«Geh hinein zu Unni. Sprich mit ihr. Nimm dir die Zeit, die du brauchst. Komm raus, wenn du so weit bist, dann fahren wir alle drei nach Oslo. Wir regeln das in Bryn, Ole.»
Ole Kval presste die Lippen zusammen und nickte. Öffnete die Tür. «Danke.»
Sie sahen ihn schwerfällig die Treppe hochstapfen und in der Tür verschwinden.
«Mein Gott», sagte Torp, der zum ersten Mal den Mund aufmachte, seit sie ihn abgeholt hatten. «Wie ist es denn zu dieser Wendung gekommen?»
«Du sitzt gerade in dem berüchtigten Karoauto.» Anton zeigte ihm eine Karokarte aus dem Stapel und hielt sie neben das Logo am Lenkrad. «Siehst du?»
«Shit. Das hat er also mit
Karoauto
gemeint? Einen Renault?» Er betrachtete das Logo am Lenkrad. «Jetzt seh ich es auch, aber … da wär ich nie drauf gekommen.»
«Tja. Und dann dieser Karl Skarvik. Ich wusste, dass ich den Namen irgendwoher kenne.»
«Der Psychologe von Nils?»
«Ja.»
«Und woher?» Torp drehte sich auf dem Sitz um und sah Anton an. «Hä? Ich kapier jetzt gar nichts mehr.»
«Als ich am Dienstag hier war», erklärte Anton und lehnte den Kopf an die Nackenstütze, «stand auf der Küchenzeile eine Schale mit allem möglichen Zeugs, für das man keinen besseren Aufbewahrungsort hat. So eine Krimskramsschale. Zuoberst lag ein Kärtchen für einen Arzttermin. Unnis Termin.»
«Sie geht zum Psychologen?»
«Ja, das wusste ich. Ich wusste nur nicht, dass es derselbe ist, zu dem auch Nils Jahr geht.»
«Aber was hat denn der Psychologe damit zu tun? Hat Kval Viggo Holm ermordet, oder war es Karl Skarvik?»
«Ole ist auf jeden Fall derjenige, der ihm die Kehle durchgeschnitten hat.»
Samstag, 25 . Dezember
Kapitel 62
In der Nacht, die sie in Antons Büro in Bryn verbrachten, verlor Ole Kval kaum ein Wort über den Mord. Stattdessen sprachen die beiden über ihre vielen gemeinsamen Stunden im Kripo-Gebäude, während Magnus Torp schweigend in der Ecke saß und zuhörte. Dabei brach Ole immer wieder in schallendes Gelächter aus oder fing an zu weinen.
Anton erhob sich von seinem Stuhl. Zog die Jalousien hoch. Die Uhr zeigte inzwischen halb neun am Morgen. Draußen war es noch genauso dunkel wie um vier Uhr nachts. Die E 6 unter ihnen war tot. Er drehte sich zu Ole um. Das Gesicht seines alten Kollegen wirkte erleichtert und traurig zugleich. Es tat weh, ihn so zu sehen. Wenn das hier vorbei wäre, würde Anton sich eine Auszeit nehmen. Zeit mit seinem Sohn verbringen, ohne Herlov Langgaard anschwärzen zu wollen, der nur das getan hatte, was er selbst tun würde – zuschlagen, wenn eine schöne Frau ihn begehrte. Er drehte sich um. Torp war aufgestanden. Lehnte neben der Korkpinnwand an der Wand. Ole saß auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch. Seine Anzugjacke hatte er immer noch an.
«Gleich kommen zwei Uniformierte und holen dich ab, Ole.» Anton schob die Hände in die Hosentaschen. «Ich habe veranlasst, dass du deine Erklärung im Polizeirevier Stadtmitte abgibst, dann bleibt dir eine Begegnung mit
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