Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi
oder fünf. Ich weiß es nicht. Man muss dabei auch die äußeren Umstände berücksichtigen. In einem Krankenhaus hat man natürlich die ganze technische Ausstattung, dort könnte man das vielleicht noch etwas verlängern. Hypothermie ist in den letzten Jahren dazu verwendet worden, Patienten in künstlichem Koma zu halten, während die Wunden verheilen. Es ist ebenfalls eine gute Methode, um menschliche Organe zu schützen, wenn die Leute einen Herzstillstand hatten. Die Körpertemperatur wird dann bei einunddreißig Grad oder so gehalten.«
»Und wenn man das zu Hause bei sich machen würde, was bräuchte man dazu?«
Der Arzt überlegte eine ganze Weile. »Ich kann mir nicht …«, begann er, verstummte aber dann wieder.
»Was fällt dir als Erstes ein?«
»Eine große Badewanne. Eis. Ein Defibrillator und elektrischer Strom. Decken.«
»Würden irgendwelche Spuren zurückbleiben, wenn es gelingt, den Betreffenden wiederzubeleben?«
»Spuren, dass das stattgefunden hat? Das glaube ich nicht«, sagte Dagóbert. »Wahrscheinlich ist es so ähnlich, wie wenn man in einem Schneesturm landet. Die Kälte verlangsamt nach und nach die Körperfunktionen, erst fallen die Leute in den Schlaf, dann ins Koma, und schließlich kommt es zum Herzstillstand, und man stirbt.«
»Also genau das, was geschieht, wenn die Leute erfrieren?«, fragte Erlendur.
»Genau dasselbe.«
Die Frau, die, soweit man wusste, als Letzte mit der Biologiestudentin Guðrún gesprochen hatte, arbeitete als Sektionsleiterin beim Nationalmuseum. Guðrún war ihre Cousine, und die Eltern hatten sie damals gebeten, sich etwas um ihre Tochter zu kümmern, während sie nach Asien reisten. Die Frau war drei Jahre älter als Guðrún. Sie hatte das dichte blonde Haar zu einem Zopf zusammengebunden und war eher klein. Sie hieß Elísabet und nannte sich Beta.
»Ich finde es sehr unangenehm, das alles wieder aufrollen zu müssen«, sagte sie, nachdem sie in der Caféteria des Nationalmuseums Platz genommen hatten. »Ich hatte gewissermaßen die Verantwortung für Guðrún übernommen, zumindest hatte ich das Gefühl, dass es so war, obwohl ich natürlich nichts hätte verhindern können, wie du weißt. Sie ist einfach verschwunden. Es war unglaublich. Wieso befasst ihr euch eigentlich jetzt wieder damit?«
»Wir möchten den Fall endgültig abschließen«, sagte Erlendur und hoffte, dass das als Erklärung reichen würde. Er hatte keine Ahnung, weshalb er immer noch nach der Biologiestudentin Guðrún oder dem Abiturienten Davið suchte, außer dass er sich nun einmal für Vermisstenfälle interessierte; und zufälligerweise war im Dezernat gerade nicht viel los.
»Ihr geht also davon aus, dass ihr sie nie finden werdet?«, fragte Beta.
»Es ist so lange her«, sagte Erlendur, ohne auf die Frage einzugehen.
»Ich kann mir einfach nicht vorstellen, was damals passiert sein könnte«, sagte Elísabet. »Eines schönen Tages fährt sie los, und puff, ist sie verschwunden. Ihr Auto ist nicht aufzufinden, von ihr selbst keine einzige Spur. Sie scheint auch nirgendwo unterwegs angehalten zu haben, beispielsweise an einer Tankstelle oder bei Bauernhöfen, weder auf dem Weg nach Norden noch hier in Reykjavík.«
»Man hat Selbstmord in Erwägung gezogen«, sagte Erlendur.
»Sie war nicht der Typ«, entgegnete Elísabet prompt.
»Was für ein Typ muss man dazu sein?«, fragte Erlendur.
»Nein, ich meine, sie war einfach nicht so.«
»Ich kenne niemanden, der so ist«, sagte Erlendur.
»Du weißt, was ich meine«, sagte Elísabet. »Und was ist aus ihrem Auto geworden? Das hat ja wohl kaum Selbstmord begangen!«
Erlendur lächelte. »Wir haben sämtliche Häfen des Landes abgesucht. Wir haben Taucher bei den Kaianlagen nach unten geschickt, falls sie die Kontrolle über den Wagen verloren haben sollte. Wir haben nichts gefunden.«
»Sie liebte ihren kleinen gelben Mini über alles«, erklärte Elísabet. »Ich habe mir nie vorstellen können, dass sie über die Kante einer Kaimauer hinausgefahren ist. Das fand ich völlig abwegig. Eine groteske Idee.«
»Bei eurem letzten Telefongespräch hat sie nicht erzählt, was sie vorhatte?«
»Nein. Hätte ich gewusst, was kommen würde, hätte das Gespräch anders ausgesehen. Sie rief mich an, um mich nach dem Friseur am Laugavegur zu fragen, den ich ihr empfohlen hatte. Da wollte sie hin. Deswegen habe ich nie an Selbstmord geglaubt. Nichts hat darauf hingedeutet.«
»Gab es dafür einen besonderen
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