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Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Titel: Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Anlass? Hatte sie etwas vor?«
    »Weil sie zum Friseur wollte? Nein, es war einfach mal wieder Zeit, sich die Haare schneiden zu lassen, glaube ich.«
    Und über etwas anderes habt ihr nicht geredet?«
    »Nein, eigentlich nicht. Und danach habe ich nichts mehr von ihr gehört. Ich bin davon ausgegangen, dass sie nach Akureyri gefahren war, ich habe zwei- oder dreimal bei ihr angerufen, aber sie nahm nicht ab. Da war sie dann wohl schon verschwunden. Es ist so schwierig, sich vorzustellen, was passiert ist. Weshalb kann ein Mädchen wie sie in der Blüte des Lebens und ohne irgendwelche Anzeichen verschwinden? Was soll man daraus schließen? Wie kann man das je verstehen?«
    »Sie hat nie einen Freund gehabt oder mit jemandem zusammengewohnt?«
    »Nein, nie. Das hatte sie alles noch vor sich.«
    »Was für Fahrten hat sie mit ihrem Auto unternommen? Ich weiß, das steht in den Akten, aber man kann nicht oft genug nachfragen.«
    »Natürlich nach Akureyri. Sie bekam manchmal Heimweh nach Akureyri, und wenn sie Zeit hatte, fuhr sie dorthin. Sie hat aber auch Ausflüge in die Umgebung von Reykjavík unternommen, nach Reykjanes oder eine Spritztour nach Hveragerði, um sich dort dieses leckere Eis zu kaufen. Ganz normale Ausflüge. Du weißt, dass sie sich für Seen interessierte.«
    »Ja.«
    »Den See von Þingvellir mochte sie ganz besonders.«
    »Den See von Þingvellir?«
    »Sie kannte den See wie ihre Westentasche. Sie ist oft hingefahren, und am See hatte sie ihre Lieblingsstellen. Ein Verwandter von uns hier in Reykjavík besaß ein Sommerhaus im Lundarreykjadalur im Borgarfjörður, das wir häufig nutzten. Sie ist damals oft über die Uxahryggur-Piste nach Þingvellir gefahren und am östlichen Seeufer entlang zurück nach Reykjavík. Sie hat auch manchmal mit Freundinnen in Þingvellir gezeltet oder auch allein. Sie genoss es, aus der Stadt herauszukommen und ganz allein am See zu sein. Sie war gern allein, sie war sich in vieler Hinsicht selbst genug.
    »Es gab keine Anzeichen dafür, dass sie in diesem Sommerhaus eures Verwandten gewesen ist?«, fragte Erlendur, während er sich an all die Aktenvermerke über Guðrún zu erinnern versuchte.
    »Nein, da ist sie nicht gewesen«, sagte Elísabet.
    »Wieso interessierte sie sich so für Binnengewässer?«
    »Das wusste niemand, sie selbst auch nicht. Guðrún war schon immer so, schon als Kind. Sie hat mir einmal gesagt, dass Seen eine seltsame Anziehungskraft hätten, es hätte etwas mit der Stille zu tun. Nirgends sei man der Natur näher als am Wasser, als an einem See, an dem es zahlreiche Vogelarten gibt.«
    »Ist sie auf den See hinausgefahren? Besaß sie ein Boot?«
    »Nein, das war das Komische bei Guðrún. Sie hatte schon als kleines Mädchen Angst vor dem Wasser. Es war nicht einfach, sie zum Schwimmunterricht zu bewegen, und sie ist nie gern schwimmen gegangen. Sie hatte kein Interesse daran, auf einem See zu sein oder darin zu schwimmen, sie suchte nur die Nähe des Wassers. Sie liebte die Natur so sehr.«
    »Es gibt nur wenige Seen, die so schön sind wie Þingvallavatn«, sagte Erlendur.
    »Das ist wahr.«

Vierundzwanzig
    Zwei Tage später saß Erlendur zu Hause bei einem Schauspiellehrer, der bereits etwas älter war. Er hieß Jóhannes und bewirtete ihn mit einem Kräutertee. Normalerweise rührte Erlendur so etwas nicht an. Der Mann hatte zuerst sehr negativ auf ihn reagiert, er verstand gar nicht, was die Polizei von ihm wollte, und hatte ihn kaum hereinlassen wollen. Als er jedoch hörte, dass es nicht um ihn selbst ging, sondern mehr oder weniger um Tratsch über andere Leute, wurde er etwas umgänglicher und öffnete Erlendur die Tür. Er hatte sich gerade einen Kräutertee zubereitet und bot Erlendur eine Tasse an.
    Orri Fjeldsted hatte Erlendur an den Schauspiellehrer verwiesen, nachdem Erlendur ihn gefragt hatte, wer wohl die ehemaligen Schüler der Schauspielschule am besten kennen würde. Orri hatte nicht lange überlegen müssen. Jóhannes war damals sein Lehrer gewesen, er sei zwar eine Seele von Mensch, aber fürchterlich klatschsüchtig. Er wisse viel, doch alles, was er über Orri selbst sagen würde, falls die Rede auf ihn käme, sei erlogen.
    Jóhannes lebte allein in einem Reihenhaus im Osten der Stadt. Er war ziemlich groß und sprach mit lauter, dröhnender Stimme. Er hatte eine Vollglatze, ungewöhnlich große Ohren – und ein amüsiertes Blitzen in den Augen. Von Orri wusste Erlendur, dass seine Frau ihn vor vielen Jahren

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