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Kaeltezone

Kaeltezone

Titel: Kaeltezone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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Eltern?«
    »Sie waren schon lange tot. Er war viel im Ausland gewesen. Er hat teilweise auf Frachtschiffen gearbeitet, und irgendwann einmal hat er auch in England oder Frankreich gelebt. Er hatte sogar einen ganz leichten Akzent, weil er so lange im Ausland gewesen war. In der Zeit, die von seinem Verschwinden an verging, bis das Auto schließlich gefunden wurde, sind ungefähr dreißig Busse mit den unterschiedlichsten Zielen losgefahren, aber keiner der Busfahrer hat bestätigen können, dass er bei ihnen im Bus gesessen hat. Die Polizei war der Meinung, dass die Busfahrer ihn bestimmt bemerkt hätten, falls er einen Bus genommen hätte, aber ich bin mir sicher, dass sie nur versucht haben, mich zu trösten. Ich glaube, dass sie der Meinung waren, er würde sich besoffen in der Stadt herumtreiben und irgendwann wieder auftauchen. Sie haben mir gesagt, dass Frauen manchmal in ihrer Angst die Polizei anrufen, aber meistens ließen sich die Kerle nur voll laufen, und die Frauen machten sich Sorgen.«
    Die Frau schwieg eine Weile.
    »Ich glaube nicht, dass sie sich bei dieser Suche sehr viel Mühe gegeben haben«, sagte sie schließlich. »Sie kamen mir nicht sehr interessiert vor.«
    »Was glaubst du, weshalb er mit dem Wagen zum Busbahnhof gefahren ist?«, fragte Erlendur. Er sah, dass Sigur- ður Óli sich die Bemerkung über die Polizei notierte.
    »Ich habe absolut keine Ahnung.«
    »Glaubst du, dass jemand anders den Wagen dorthin gefahren haben kann? Um dich oder die Polizei auf eine falsche Fährte zu lenken? Um den Eindruck zu erwecken, dass er die Stadt verlassen hat?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte die Frau. »Ich habe natürlich viel über diese Möglichkeit nachgedacht − dass er umgebracht worden ist, aber es ist mir völlig schleierhaft, wer das getan haben könnte und noch viel weniger, weswegen. Ich verstehe es einfach nicht.«
    »Häufig genug passiert so etwas rein zufällig«, sagte Erlendur. »Es muss nicht immer eine Erklärung geben. Hinter Morden steckt in Island in den wenigsten Fällen ein Vorsatz. Es handelt sich um verhängnisvolle Zufälle oder Affekthandlungen, völlig unvorbereitet und in den meisten Fällen auch völlig grundlos.«
    In den Polizeiprotokollen stand, dass der Mann etwas früher am gleichen Tag vorgehabt hatte, einen Kundenbesuch zu machen, und im Anschluss daran nach Hause wollte. Ein Bauer in der Nähe der Hauptstadt war an einem neuen Traktor interessiert, und er hatte einen kurzen Kundenbesuch beabsichtigt, um den Verkauf unter Dach und Fach zu bringen. Der Bauer hatte aber ausgesagt, dass der Mann nie bei ihm erschienen sei. Angeblich hatte er den ganzen Nachmittag auf ihn gewartet, aber der Mann ließ sich nicht blicken.
    »Alles war also in schönster Ordnung, und dann haut er urplötzlich ab«, sagte Sigurður Óli. »Was ist da deiner Meinung nach vorgefallen?«
    »Er ist nicht einfach abgehauen«, sagte die Frau. »Warum sagst du das?«
    »Nein, entschuldige«, sagte Sigurður Óli. »Selbstverständlich nicht. Dann verschwand er. Entschuldige.«
    »Ich weiß es nicht«, sagte die Frau. »Er konnte hin und wieder depressive Phasen haben, und dann war er verschlossen und zugeknöpft. Vielleicht wenn wir Kinder gehabt hätten … vielleicht wäre alles ganz anders gelaufen. Wenn wir Kinder gehabt hätten.«
    Sie schwiegen. Erlendur sah im Geiste die Frau vor sich, wie sie von Zweifeln geplagt, besorgt und enttäuscht vor dem Milchladen stand.
    »Hat er etwas mit irgendwelchen ausländischen Botschaften hier in Reykjavík zu tun gehabt?«
    »Mit ausländischen Botschaften?«
    »Ja, Botschaften«, sagte Erlendur. »Hatte er irgendwelche Verbindungen zu ihnen, vielleicht zu denen der Ostblockstaaten?«
    »Nicht, dass ich wüsste«, sagte die Frau. »Ich verstehe das nicht … Was meinst du damit?«
    »Kannte er jemanden von diesen Diplomaten? Hat er für sie gearbeitet oder so etwas?«, fragte Sigurður Óli.
    »Nein, bestimmt nicht, oder auf jeden Fall nicht, nachdem ich ihn kennen lernte. Davon weiß ich nichts.«
    »Was hattet ihr damals für ein Auto?«, fragte Erlendur, der sich nicht erinnern konnte, was in den Protokollen gestanden hatte.
    Die Frau überlegte. Diese merkwürdigen Fragen brachten sie ganz durcheinander.
    »Es war ein Ford«, sagte sie. »Ich glaube, das Modell hieß Falcon. Schwarz.«
    »Aus den damaligen Protokollen geht hervor, dass man in oder am Auto nicht die geringsten Hinweise gefunden hat, die Aufschluss über das Verschwinden deines

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