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Kaeltezone

Kaeltezone

Titel: Kaeltezone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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das erzählt hatte, habe ich mich mal da vor Ort umgehört, vor allem bei älteren Leuten, die mit mir in der Fischfabrik gearbeitet haben.«
    »Hast du sie über mich ausgefragt?«
    »Nee, natürlich nicht direkt. Ich habe nicht nach dir gefragt. Ich habe über alte Zeiten gesprochen und nach Leuten gefragt, die früher mal dort gewohnt haben, und nach den Bauern in der Gegend. Dein Vater war Bauer, nicht wahr? Mein Großvater.«
    Erlendur antwortete nicht.
    »Es gibt Leute, die sich noch gut daran erinnern«, erklärte Sindri.
    »Sich woran erinnern?«
    »An die beiden Jungen, die mit ihrem Vater in die Berge gingen, und der jüngere Bruder kam ums Leben. Danach ist die Familie nach Reykjavík gezogen.«
    Erlendur schaute seinen Sohn an.
    »Mit was für Leuten hast du geredet?«
    »Mit irgendwelchen Leuten da in den Ostfjorden.«
    »Und hast hinter mir herspioniert?«, fragte er schroff.
    »Ich habe nicht hinter dir herspioniert«, sagte Sindri. »Eva Lind hat mir davon erzählt, und ich habe mich mal umgehört, was damals passiert ist.«
    Erlendur schob den Teller von sich.
    »Und was ist passiert?«
    »Ein verrücktes Unwetter. Dein Vater schaffte es nach Hause, und eine Suchmannschaft wurde ausgeschickt. Du warst in einer Schneewehe vergraben, als man dich fand. Dein Bruder wurde nie gefunden. Dein Vater hat sich nicht an der Suche beteiligt. Die Leute haben gesagt, dass er sich das so zu Herzen genommen hätte, dass er komisch wurde.«
    »Komisch?«, sagte Erlendur gereizt. »Was für ein verdammter Blödsinn.«
    »Deine Mutter hatte viel mehr Kraft. Sie ist jeden Tag mit den Suchtrupps losgezogen und dann später sogar ganz allein. Bis ihr zwei Jahre danach weggezogen seid. Sie ist immer wieder in die Berge gegangen und hat nach ihrem Sohn gesucht. Sie war darauf richtig fixiert.«
    »Sie wollte ihn begraben«, sagte Erlendur, »darauf war sie fixiert.«
    »Die Leute haben auch über dich gesprochen.«
    »Es wäre besser, wenn du nicht auf solchen Klatsch und Tratsch hören würdest.«
    »Sie haben gesagt, dass der ältere Bruder, der gerettet wurde, regelmäßig in den Osten käme und dort in den Bergen herumwandere. Es würden manchmal ein paar Jahre zwischen seinen Besuchen vergehen, und in letzter Zeit wäre er auch längere Zeit nicht da gewesen, aber das würde nichts besagen. Er käme allein und hätte ein Zelt dabei, würde sich ein paar Pferde ausleihen und ins Gebirge ziehen. Nach einer Woche oder zehn Tagen, manchmal sogar einem halben Monat, käme er wieder und führe dann nach Reykjavík zurück. Er würde nie mit jemandem reden, außer mit dem Mann, bei dem er die Pferde leiht, und auch dann sagte er nicht viel.«
    »Reden die Leute im Osten wirklich immer noch darüber?«
    »Das wohl nicht«, sagte Sindri. »Jedenfalls nicht viel. Ich habe mich bloß umgehört und habe mit Leuten geredet, die sich daran erinnern konnten und sich an dich erinnern konnten. Ich hab auch mit dem Bauern gesprochen, der dir die Pferde vermietet.«
    »Warum hast du das getan? Du hast doch nie …«
    »Eva Lind hat mir gesagt, dass sie dich besser versteht, nachdem du ihr davon erzählt hast. Sie will dauernd über dich reden. Ich habe nie Bock gehabt, über dich nachzudenken. Aber du bedeutest ihr was, frag mich nicht wieso. Für mich spielst du keine Rolle. Ich finde die Situation okay. Ich finde es okay, dass ich dich nicht brauche und noch nie gebraucht habe. Eva braucht dich aber, und das hat sie schon immer getan.«
    »Ich habe versucht, alles für Eva zu tun, was in meiner Macht steht«, sagte Erlendur.
    »Ich weiß, das hat sie mir auch gesagt. Manchmal denkt sie, dass du dich nur einmischen willst, aber trotzdem glaube ich, dass sie ganz genau weiß, was du für sie tust.«
    »Die sterblichen Überreste eines Menschen können noch viele Jahrzehnte später gefunden werden«, sagte Erlendur. »Sogar Jahrhunderte später. Rein zufällig. Dafür gibt es viele Beispiele.«
    »Bestimmt«, sagte Sindri. »Eva hat gemeint, dass du dich dafür verantwortlich fühlst, was mit ihm passiert ist. Weil du ihn nicht festhalten konntest. Gehst du deswegen in den Osten? Um zu suchen?«
    »Ich glaube …«
    Erlendur verstummte.
    »Wegen irgendwelcher Gewissensbisse?«
    »Ich weiß nicht, ob es Gewissensbisse sind«, sagte er und lächelte schwach.
    »Aber du hast ihn nie gefunden«, sagte Sindri.
    »Nein«, sagte Erlendur.
    »Deswegen zieht es dich immer wieder dorthin.«
    »Es tut immer gut, wenn man einen Ortswechsel vornimmt

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